Autismus, Schlaf und ASMR

Schlafzimmer des Königs in Versailles

(Das Bild zeigt das Schlafzimmer des Königs in Versailles.)


Schlafprobleme, ein Thema welches viele Autistinnen und Autisten über Jahre oder Jahrzehnte hinweg begleitet und in der Autismus-Forschung leider nicht wirklich Beachtung findet. Hier gibt es massiven Nachholbedarf. Medikamentöse Ruhigstellung kann und darf nicht das Ziel sein.

Viele von uns kennen die üblichen gut gemeinten Ratschläge, die man überall zu hören bekommt. Schlafzimmer nur 18°C, eine Stunde vor dem Schlafen gehen kein Smartphone oder TV mehr, etwas lesen, warme Milch trinken und und und.
Nun… ich hab das auch alles durchprobiert – auch Medikamente zum Einschlafen hatte ich jahrelang. Wirklich geholfen hatte nichts oder zumindest nicht so, wie ich es mir gewünscht hätte. Vor allem Schlaftabletten haben doch die ein oder andere unerwünschte Nebenwirkung.
Was für Nicht-Autisten sinnvoll sein mag, ist es bei Autistinnen und Autisten nicht unbedingt. Das mag daran liegen, dass wir Reize deutlich stärker bzw. ungefiltert wahrnehmen und auch daran, dass unser Gehirn ständig auf Hochtouren läuft. Runter kommen oder mal Nichts denken… für mich persönlich nicht machbar. Ich habe eigentlich nie einen Moment, in dem ich mal nicht nachdenke. Auch entspannen fällt mir sehr schwer. Gedanklicher Leerlauf sozusagen, wie es bei Nicht-Autisten wohl vorkommt, kenne ich nicht wirklich. Was genau dafür die Ursache ist, das können andere vielleicht besser beschreiben als ich. Ich für meinen Teil vermute, dass es ein Mix aus dem jahrzehntelangen Maskieren, dem ständigen nachträglichen analysieren von Gesprächen und Situationen, (Tages-)Abläufe vorausplanen, Reize die ich wahrnehme usw. ist. Kurz: Seit kleinauf kenne ich es nicht anders, als ständig „unter Strom zu stehen“ (RW).

18°C in der Wohnung oder gar im Schlafzimmer? Für mich der Garant für einen Overload. Ich friere dann zu sehr. Wer jetzt sagt, dann zieh dir halt mehr an oder nimm eine dickere Decke… nein. Ich ertrage Reize durch Kleidung auf der Haut nur schlecht. Deswegen laufe ich auch im Winter nur in weich fallenden Kleidern durch die Wohnung, die entsprechend auf 22-23°C beheizt ist. Sommer, wie Winter laufe ich daheim Barfuß. Socken sind mir ein Graus, was die Reize an den Zehen betrifft. Und beim Schlafen unter einer dicken Decke… dann überhitzt mein Körper zu sehr und im Gesicht spüre ich kalte Luftzüge… das alles sind Dinge, die mich nur noch unnötiger wach bleiben lassen und am Ende bin ich nur noch genervter. Probiert hab ich all diese Dinge über Wochen hinweg, falls ich mich doch daran gewöhnt hätte… nun ja… hab ich nicht und ich hatte den Vorteil, dass ich das alles allein für mich selbst probieren wollte.

Wenn dies nun einem Kind von außen so aufgezwungen werden würde, sähe das schon deutlich anders aus. Ein weiterer Punkt im Leben von Autisten, der Druck erzeugt… – dies ist nun wahrlich das Letzte, was wir brauchen. Daher einfach schauen unter welchen Bedingungen man am besten einschlafen kann. Diese sind so individuell wie Menschen eben unterschiedlich sind.

Deswegen liebe Eltern, wenn eure autistischen Kinder Einschlafprobleme haben… bedenkt vielleicht auch die Zimmertemperatur. Vielleicht fühlt sich das Kind in einem 2 Grad wärmeren Zimmer wohler und mag es vielleicht auch lieber, mit weniger Kleidung durch die Wohnung zu laufen. All dies kann Reize, die sich so über den Tag summieren unter’m Strich dann doch reduzieren, was dann wiederum die Anspannung am Abend insgesamt verringert und das Einschlafen erleichtert.

Auch bei einer gut geheizten Wohnung kann man durch Türen geschlossen halten oder Stoßlüften die Wärme ganz gut halten, wenn man es eben deutlich wärmer als der Durchschnitt mag. Meine Heizkosten lagen schon immer im unteren Bereich. Einfach mal schauen, wo man Stellen findet, wo Wärme entweicht. An hohen Türritzen hab ich im Winter immer ein aufgerolltes Handtuch hingelegt.

Meine Einschlafprobleme habe ich seit klein auf. Schon in jungen Jahren lag ich Abends oft 1-2 Stunden wach, weil die Gedanken nicht leiser werden wollten. Eine Gedanke jagte den nächsten, die Gedankenspirale drehte sich von einem Thema zum nächsten. Den Peak hatte das Ganze zu meiner Gymnasialzeit und in meinen Zwanzigern. Einer Zeit mit viel Schulstress, Umbruch- und Veränderungsphasen. Ich schlief pro Nacht nur etwa 4 Stunden und die nicht mal am Stück. Das ging mehrere Jahre so. Gesund war das wahrlich nicht, aber ich wusste damals auch noch nicht, dass ich Autistin bin und hielt das irgendwie für normal und das es eben vielen Menschen so gehe. Die Diagnose erhielt ich erst vor 9 Jahren mit 28.
Seit der Diagnose hab ich mich dann auch dem Problem des Schlafes intensiver gewidmet und so landete man unweigerlich auch bei den durch Ärzte verordneten starken Schlafmitteln. Diese helfen zwar eine kurze Zeit lang sehr zuverlässig beim Einschlafen, aber sind eben nichts auf Dauer. Der Körper gewöhnt sich rasch daran und braucht dann immer mehr für eine gleichbleibende Wirkung. Das Absetzen war dann auch nicht ganz so easy mit dem Wirkstoffentzug, daher lieber gleich die Finger davon lassen und falls es eben kurzfristig doch notwendig ist, um überhaupt mal wieder einen einigermaßen gesunden Schlafrhythmus zu bekommen, den Arzt nach weniger starken Mitteln fragen. Danach folgte ein nicht abhängig machendes Medikament, dies nahm ich 2 Jahre lang jeden Abend. Wirklich guter und erholsamer Schlaf war auch das nicht, aber zumindest mit weniger Überhang am nächsten Tag als durch die anderen ausprobierten stärkeren Schlafmittel. So kam ich immerhin auf 6 Stunden Schlaf und einen weniger müden Start in den Tag, dafür hatte ich aber fast jede Nacht Albträume, die ich mittlerweile klar dem letzten Medikament zuordnen kann.

Nebenbei machte ich in den letzten Jahren auch noch eine kognitive Verhaltenstherapie, die mir ebenfalls half, Stressoren herauszufinden und mich von diesen zu trennen. Nach dem erneuten Kontaktabbruch zu meinen Erzeugern ging es mir deutlich besser und auch der Umzug nach Frankfurt im August 2020 brachte noch einmal deutliche Besserung, weil ich nicht mehr mit meinen mich mit absichtlichen Lärm terrorisierenden Nachbarn über mir und der hellhörigen Wohnung leben musste.

Mein bis dahin halbwegs bewährtes Schlafprozedere war also: 22,5°C im Schlafzimmer, eine leichte Decke, leichtes Nachtshirt und Film oder Serie gucken zum Einschlafen. Reine Hörbücher haben bei mir eine schlechtere Wirkung, als Serie gucken und dann allmählich wegzuschlummern. Der optische Reiz hilft mir, von den reinen Gedankenkreisen etwas wegzukommen. Hierzu stelle ich aber den Monitor am TV, Tablet oder Smartphone auf eine niedrige Geräusch- und Helligkeitsstufe und ich stelle es so ein, dass das Gerät nach 1 Stunde von allein aus geht. Klappte nicht immer, aber oft bekam ich nicht mehr mit, wie sich das Gerät ausschaltete, weil ich bereits schlief.

Dann stolperte ich vor etwas mehr als einem Jahr auf youtube über das Thema ASMR.
ASMR steht für „Autonomous Sensory Meridian Response“. Was es wissenschaftlich damit auf sich hat, werde ich hier jetzt nicht näher drauf eingehen, sondern ich möchte euch erzählen, warum ich es vor allem auch für Autistinnen und Autisten eine durchaus gute Alternative zu Medikamenten halte, wenn es um das Thema schlafen geht, aber auch um negative Erregungszustände abzubauen. Ängste sind auch eine oft auftretende Komorbidität bei Autismus, auch hier denke ich, dass ASMR-Videos als ein weiterer Baustein hilfreich sein können.
Es scheint auf den ersten Blick nicht sehr logisch mit Geräuschen und weiteren Reizen für Einschlafhilfe zu sorgen, aber ähnlich wie ich tagsüber gern Musik auf Kopfhörern höre und mich so von anderen unerwünschten akustischen Reizen etwas abschirmen kann, so sind auch diese hier mit den ASMR-Videos selbst gewählt und dadurch doch ganz angenehm. Vorwiegend wird in den Videos geflüstert und die akustischen Reize wurden mit Bedacht produziert.

In den Videos mit oftmals über 1 Mio. Views (ich werde unten eine kleine Playlist mit verschiedenen ASMR-Videos die ich gut fand verlinken), schaffen es die Künstlerinnen – ja, meistens sind es Frauen – mit Hilfe von Geräuschen ein entspannendes Gefühl beim Hörer auszulösen. Sogenannte Tingles.
Viele ASMR-Künstlerinnen produzieren ihre Videos sehr aufwendig und so ist es keine Seltenheit, dass sie für ihre Rollenspiele ihre genutzten Gegenstände und Deko auch selbst herstellen. Die Videos sind oft einem bestimmten Thema gewidmet. Sie reichen von Beauty- und Spa-Behandlungen, bis hin zu Szenen als Ciri aus ‚The Witcher‘ oder Themen im Steampunk Setting. Es dürfte eigentlich für jeden ein passendes Genre geben.
Die Videos vermitteln ein Gefühl der Nähe, des sich kümmerns… ohne das man tatsächlich angefasst wird. Auch etwas, womit manche Autistinnen und Autisten Probleme haben. Es gibt auch Videos zu medizinischen Untersuchungen oder einem Besuch beim Friseur. Diese könnten vor allem bei autistischen Kindern dazu beitragen Ängste und vor allem auch Unsicherheiten vor solchen realen Besuchen abzubauen.

Für Menschen die sich öfters mal einsam fühlen, sind diese auch eine gute Möglichkeit, das angenehme Gefühl zu erhalten, dass sich jemand (virtuell) um einen kümmert. ‚Personal attention‘ heißt hier das Schlagwort. Ebenfalls bieten die Videos einen Leitfaden, wie man sich auch um sich selbst kümmern kann (z.B. Thema Gesichts- oder Haarpflege) und welche Schritte dies alles umfassen kann. Ihr merkt, diese Videos können für viele Bereiche hilfreich sein.

Jedenfalls kam es so, dass ich diese Videos immer regelmäßiger schaute. Zunächst, weil mich auch die Geschichten und Setups interessierten und irgendwann, weil ich tatsächlich merkte, dass mich diese Videos entspannter machten und ich das ein oder andere mal ohne Schlaftablette wegdämmerte. Nach einiger Zeit entschied ich mich dazu, ganz auf die allabendliche Tablette zu verzichten. Die Umstellung und Entwöhnung (einfach weil auch dies eine Routine geworden war) waren etwas holprig, aber im Nachhinein bin ich nun sehr froh, es so umgesetzt zu haben. Mittlerweile schlafe ich jeden Abend mit Hilfe dieser ASMR-Videos schon nach etwa 15-20 Minuten ein und insgesamt hat sich die Schlafdauer auf 7, manchmal sogar 8, Stunden verlängert und ich wache insgesamt auch weniger zwischendurch auf.

Hier achte ich darauf, dass mein Tablet auf die zweitniedrigste Lautstärke eingestellt ist, zu leise ist für mich auch nicht gut. Es muss gerade so laut sein, dass ich es gut höre und nicht nur reiner ‚Geräuschbrei‘ bei mir ankommt. Zu laut lässt mich dann wiederum zu konzentriert zuhören. Hier muss jeder eben für sich die richtigen Einstellungen finden. Kopfhörer nutze ich hierfür nicht.
Dann habe ich die Option am Tablet aktiviert, dass das blaue Licht gefiltert wird, dass alles einen warmen Farbton erhält und die Bildschirmhelligkeit hab ich dann auf niedrigster Stufe, damit ich nicht geblendet werde. Außerdem ist bei youtube das ‚auto play‘ deaktiviert und das Gerät geht nach dem einen Video auch automatisch in den Standby. (Insgesamt also auch stromsparende Optionen.) Es gibt nichts schlimmeres als gerade eingeschlafen zu sein und dann brüllt dir eine Werbung vom nächsten Video entgegen.
Dies ist übrigens auch etwas, worauf die guten ASMR-Artisten achten, dass sie ihre Videos so einstellen, dass die Werbung zu Beginn des Videos kommt und nicht mitten drin oder am Ende.

Oft schaue ich auch das gleiche Video mehrere Abende hintereinander, wenn ein Tag mal nicht gut lief oder ich etwas Vertrautes und für mich garantiert wirksames brauche. Meine 9-jährige Tochter schaut ebenfalls die Videos, auch bei ihr kann man dann förmlich zugucken, wie sie entspannter und müder wird. Mir selbst helfen sie z.B. bei einem Meltdown um auch tagsüber wieder ruhiger zu werden.

Mittlerweile gibt es auch Menschen die das Thema ASMR aufgreifen um ihr Handwerk zu zeigen. Journaling, malen, ein Buch binden, kochen oder Hausarbeit… ASMR erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Es ist thematisch sicher etwas für jeden dabei.
Einfach mal rumstöbern und versuchen, wenn sonst andere Optionen auch nicht zur Beseitigung der Schlafprobleme führten. Vielleicht sind ASMR-Videos auch für euch eine niedrigschwellige Lösung für dieses oder jenes Problem oder tragen zumindest zur Linderung bei. :-)


Kleine ASMR-Playlist (Link zu meinem youtube Kanal):
https://youtube.com/playlist?list=PLIpSIJJp0-bzMcUfB7xN4Mov_97KM_HML





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Interview

Dem Stadt.Land.Kind-Magazin gab ich vor einiger Zeit ein Interview.

Dieses könnt ihr online nachlesen: Interview
Themen hier u.a. #NoABA, Augenkontakt, UN-Behindertenrechtskonvention, spezielle Einkaufszeiten für Autisten und mehr…

In der Printausgabe (02/2019) erschien ebenfalls ein 2-seitiger Beitrag über mich und mein Leben mit Autismus.

 

Freundschaften

Ende letzten Jahres stellte ich auf Twitter eine Frage über Freundschaft – von den Reaktionen und der Teilnahme war ich überwältigt. Wer den Tweet anklickt, kann auch selbst einmal die ganzen Kommentare lesen. :-)

 
Aus genau jenem Tweet ergab es sich, dass das ‚Supernovamag‘ auf mich aufmerksam wurde und mich kontaktierte, ob ich nicht einen Text darüber schreiben wolle.
Ich stimmte zu.
Auf den Text wiederum erhielt ich erneut viel Anteilnahme und positiven Zuspruch. Dafür bin ich sehr dankbar!

Und hier geht es nun entlang zu meinem Text auf der Webseite von Supernova:

‚Als Autistin Freundschaften knüpfen‘

 
 
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vom Loslassen und nach vorn sehen

Mein letztes Jahr und auch noch einige Monate davor waren sehr troubelig, heftig und manchmal auch sehr dunkel. Aber mittlerweile geht es mir im Vergleich dazu deutlich besser. Ich habe mich persönlich ziemlich weiterentwickelt und viele wertvolle Erkenntnisse über mich gewonnen. Über meine Stärken, aber auch über meine Schwächen. Ich habe im vergangenen Jahr viel erreicht und klare Ziele vor Augen. Diese betreffen nicht nur das Jahr 2019, sondern sind auch längerfristig gesetzt.

Aber zunächst zum Blick nach vorn:

Wie ihr sicher schon festgestellt habt, habe ich noch im letzten Jahr die Webseite inhaltlich etwas umstrukturiert. Der Fokus liegt nun deutlicher auf der Fotografie. Aber keine Sorge, Autismus wird hier weiter Thema bleiben. Ich verbinde nun einfach beides miteinander. Das bin schließlich ich. Und ich fühle, dass ich in dieser Kombination besser aufklären und Menschen erreichen kann.
Ich bleibe weiterhin Aktivistin und kämpfe für bessere Bedingungen für Autisten.
Ich bin nach wie vor ganz klar gegen ABA!
Allen voran aber setze ich mich auch für bessere Unterstützung und passende Hilfen für uns Autisten ein. Es kann nicht sein, das wir, die noch in alter Kategorie die Diagnose „Asperger-Syndrom“ erhielten, nicht ernst genommen und unsere Probleme bagatellisiert werden.
Glücklicherweise gibt es nun diese Unterteilung in diese Schubladen ‚leicht‘ und ’schwer‘ betroffen aka Asperger-Syndrom vs. Kanner-Autismus offiziell nicht mehr. Wir alle befinden uns im Autismus-Spektrum. Jeder von uns hat seine Schwierigkeiten, aber auch seine eigenen Stärken und dennoch haben wir so vieles gemeinsam! Es ist unangebracht Autisten so gegeneinander auszuspielen und immer wieder zu behaupten, man könne ja nicht für diese oder jene sprechen.

Was wir können ist klar: Wir können unser Erleben nach Außen tragen. Im Grunde haben wir alle sehr ähnliche Hürden zu meistern und begegnen Vorurteilen. Die einen werden oft unterschätzt, die anderen überschätzt. Beides ist gleich schlimm und schädlich. Fehlende Inklusion. Druck auf Anpassung und Kompensation. Ich habe selbst erlebt, wie zerstörerisch das sein kann.
Die die können, die setzen sich auch für die anderen mit ein. Die die das nicht können, können unterstützen. Jeder auf seine Art.

Das was ich im letzten Jahr leider als sehr negativ erlebt habe: Das Rumnörgeln an denen die etwas tun. An denjenigen, die sich da raus wagen und gegen den Wind stellen. Dem standzuhalten kostet immense Kraft und so manches mal fragt man sich: ‚Warum tue ich mir das eigentlich an?‘ – doch dann kommen immer wieder die kleinen und großen Erfolgsmomente. Das ist was einem immer wieder Kraft gibt. Man tut das nicht (nur) für sich, dafür ist das System vermutlich zu schwerfällig. Aber Aktivisten ebnen den Weg für diejenigen, die nach ihnen kommen.
Was nicht hilfreich ist, ist das Jammern und nichts tun. Wenn ihr nicht damit einverstanden seid, was und wie Aktivisten etwas tun, dann macht es selbst anders. Werdet zu einem Vorbild. Durch ‚Nichts-tun‘ hat sich noch nie etwas nachhaltig verändert. Das betrifft so viele Bereiche des Lebens.
Ich wünsche mir, dass dies endlich in den Köpfen vieler Menschen ankommt.

Im vergangenen Jahr nährte sich ebenfalls die Idee, dass ich gerne eine Ausstellung machen möchte. Das möchte ich dieses Jahr nun konkreter werden lassen. Thema und Art werde ich dann, wenn es soweit ist, natürlich hier auf meiner Webseite bekanntgeben. Ob das letztendlich 2019 noch stattfinden wird, kann und möchte ich nicht versprechen, aber ich werde mich diesem Ziel einer Ausstellung deutlicher annähern.

Ich habe mir vorgenommen nun auch wieder mehr Yoga zu machen und einige Kilos, die depressionsbedingt hinzukamen, wieder abzutrainieren. Ich möchte mehr Ruhe in mir selbst finden. Yoga ist für mich da das beste Hilfsmittel zum abschalten. Ich habe begonnen meinen Lebensstil ernährungstechnisch und auch generell zu verbessern. Ende vergangenen Jahres habe ich auch dafür schon den Grundstein für eine solche Veränderung gelegt. 6kg sind seit Mitte November bereits runter, 17 more to follow. Werde ich schaffen, da glaube ich fest an mich. Auch dieses Ziel habe ich klar vor Augen.

Mein Rückblick auf 2018:

Tjoa… nicht so einfach darüber zu schreiben, aber ich betrachte es als Teil des Loslassens.
Ich fange mit den eher unschönen Dingen an, die mich doch sehr geprägt, aber letztendlich auch persönlich weiter voran gebracht haben. Sie haben mir klar meine eigenen Schwächen aufgezeigt. Und zumindest dafür bin ich dankbar.
Ich bin nicht mehr frustriert oder verärgert über diese Verhaltensweisen mir gegenüber. Es sind Menschen, die wohl einfach nicht anders können.
Aber ich habe mich Ende letzten Jahres dafür entschieden, dass sich diese Lebenswege trennen. Umgangssprachlich würde man wohl sagen: Sie haben es richtig verkackt. Chancen immer wieder weggeworfen und Vertrauen mehrfach missbraucht. Konsequenz: Diese Menschen haben keine Zukunft mehr in meinem Herzen.

Abschließen werde ich den Blogbeitrag hier dann selbstredend mit den positiven Dingen aus dem letzten Jahr.

Das Jahr begann ziemlich dunkel. Der Oktober 2017 war noch nicht lang her. Ich erlebte in jenem Oktober einen ziemlich heftigen Autistischen-Bournout. Jahrelange Kompensation und ‚Maske tragen‘ haben ihren Tribut eingefordert. Nichts ging mehr. Ein Grund warum mir #DieMaskeAbnehmen (Link zu meinem Blogtext) so wichtig ist!

Seither habe ich viel an mir gearbeitet und mir professionelle Hilfe gesucht, für die ich sehr dankbar bin! Ich bin froh, dass mir das alles so gut hilft. Ich habe mich viel besser kennen- und verstehen gelernt in all den Monaten. Es war und ist nicht leicht, in seiner Vergangenheit zu graben, zu akzeptieren was einen bisher (unbewusst) beeinflusst hat – wer man heute ist, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen – und dann harte und sehr verändernde Entscheidungen zu treffen. Auch sich selbst in seinem Verhalten und Denken zu hinterfragen und zu verändern.
So wie mein Leben war konnte es nicht weitergehen. Da sind einige Tränen in Therapiesitzungen geflossen, als so manches unerwartet und plötzlich an die Oberfläche kam. Spannend ist, dass man in solchen Therapiegesprächen mittels professioneller Anleitung sich selbst hilft. Seinen eigenen Weg und Lösungen dafür findet. Bisher gemachte Erfahrungen treten wieder mehr an die Oberfläche, die mit der Zeit in Vergessenheit gerieten oder auch absichtlich verdrängt wurden, weil sie besonders weh taten. Aber auch zwischen den Stunden kamen die Tränen immer mal wieder, immer dann wenn man das Aufgewühlte letztendlich akzeptiert und verarbeitet. Man (verdrängten) Emotionen endlich einen Namen geben kann und Ursachen bzw. Auslöser erkennt. Es zulässt, sich zu öffnen und sich dem inneren Schmerz zu stellen. Es war wichtig und richtig für meine persönliche Weiterentwicklung.

An solch einem Punkt war ich vor etwa 2 Jahren auch schon einmal und ich habe versucht Dinge zu ändern. Manches klappte, anderes nicht so richtig. Ich wusste schlichtweg auch nicht wie und mir fehlten die nötigen ‚Werkzeuge‘. Nun mittels professioneller Hilfe klappt das alles viel gezielter und auch besser.
So habe ich mich nun auch mit Hilfe dieser Unterstützung von toxischen Menschen in meinem Leben getrennt. Allen voran von meinen Erzeugern. Mehr sind sie nicht mehr für mich. Die Entscheidung war lange überfällig, aber auch sehr richtig. Mit nun über 30 Jahren habe ich endlich die Stärke, mich gegen solch destruktiven physischen und psychischen Missbrauch zu wehren! Es war eine der besten Entscheidungen des vergangenen Jahres. Eine gewisse innere Heilung begann sofort. Eine Narzisstin als Mutter zu haben ist ein ziemlicher Albtraum der nie aufhört. Grenzen werden nicht respektiert und permanente Unterordnung wird gefordert, ich musste immer ’spuren‘. Liebe und Mitgefühl, sowie Verständnis fehlanzeige. Meine Bedürfnisse wurden nicht ernst genommen. Gaslighting kommt ebenfalls immer wieder vor. Meine Autismus-Diagnose hatten beide Elternteile bis heute nicht akzeptiert. Für die eigene psychische Gesundheit hilft nur eine klare Trennung. Null Kontakt zu solch manipulativen Menschen.
Es ist ein ziemliches Tabu-Thema in unserer Gesellschaft. Schnell kommt: ‚Aber es sind doch deine Eltern.‘ …das mag auf dem Papier so sein. Man muss aber verstehen, dass ein solcher Kontaktabbruch innerhalb der Familie niemals eine leichte Entscheidung ist und auch nicht aus irgendeiner Laune heraus getroffen wird. Dem geht ein jahrelanger Leidensdruck voraus. Zum Glück habe ich aber auch Verständnis für diese Entscheidung innerhalb der weiteren Verwandtschaft bekommen. Ich habe nun den Kreis der destruktiven Verhaltensweisen in dieser Familie durchbrochen. Ich mache es anders! Ich zeige meiner Tochter das es auch anders geht. Weg von Manipulationen und Gewalt – egal in welcher Form.
Mein Weg ist der der Herzenswärme, des Respekts, der Ehrlichkeit, des Vertrauens und des Mitgefühls.

Das andere war ein Mensch, von dem ich viel zu lange dachte, er wäre mein Freund. Ich leider viel zu lang um diese Freundschaft kämpfte, loyal war, zu gutmütig und immer wieder nachsichtig trotz all der immer wiederkehrenden Respektlosigkeiten mir gegenüber – sicher mitbegründet durch mein Aufwachsen in toxischen Familienverhältnissen, war ich zunächst unfähig mich richtig zu wehren und abzugrenzen. Ich habe zwar immer wieder gemerkt, dass das so nicht richtig sein kann, mir nicht gut tut – aber emotional hatte ich Schwierigkeiten mich klar dagegenzustellen. In dieser ‚Freundschaft‘ nun wurde mir gezielt eingeredet, ich sei ein böser Mensch, wolle denjenigen immer wieder absichtlich verletzen und kränken. Das ich das alleinige Problem und mein Autismus eine Bürde für diesen Menschen sei. – Warum ich damals nach allein dieser Aussage nicht schon schreiend weggelaufen bin, weiß ich nicht so recht. Vermutlich war ich einfach zu gutmütig und hatte die Hoffnung, dass die Person Autismus wohl doch irgendwann mal ein wenig verstehen könne. Aber wahrscheinlich hat es dieser Mensch nicht einmal wirklich versucht, denn letztlich wurde sogar der Autismus gegen mich verwendet und es wurden von mir im guten Glauben und Vertrauen kommunizierte Schwächen, gezielt ausgenutzt. Ziemlich perfide!
Es wurde oft Streit vom Zaun gebrochen (RW), anstatt vernünftig mit mir zu reden. Ich wollte es lange Zeit nicht wahrhaben, dass dieser Mensch wirklich so ist. Etwas, das Autisten vermutlich häufiger passiert. Gehen wir doch oft davon aus, dass unser Gegenüber genauso direkt und ehrlich kommuniziert, wie wir selbst. Zumindest erhofft man sich das von seinen Freunden. Und weil ich froh war über einen weiteren Menschen in meinem Leben, hielt ich weiter an dieser ‚Freundschaft‘ fest und habe Machtspielchen und Beschimpfungen über mich ergehen lassen. Wenn ich etwas kritisch ansprach hieß es dann ‚ich hätte einen Knall‘, ’sei gestört‘, ’solle mich mal untersuchen lassen, was denn mit mir nicht stimme‘ etc. – irgendwann fing ich an das auch zu glauben. Ironischerweise war aber ich diejenige, die schon eine Therapie in Anspruch nahm. Nach einer Weile kam dann auch der Punkt, an dem ich nicht mehr so mit mir umspringen lassen wollte. Sicher auch ein Resultat der bisherigen erfolgreichen Therapie. Ich wurde selbstbewusster!
Dank therapeutischer Hilfe ist mir bewusst geworden, dass das keinesfalls und vermutlich auch zu keinem Zeitpunkt je eine gesunde Freundschaft war. Oberflächlich war dieser Mensch recht charmant, nett, eloquent und mitfühlend – in der Tiefe aber emotionslos, ohne Gewissen und Reue. Letztlich gab es bei genauerem Hinsehen viele ‚Red Flags‘, wenn man diese denn (er-)kennt. Das kann ich nun. Mittlerweile ist sehr klar und deutlich geworden, dass ich da wohl von einem vermutlichen Soziopathen (auch dissoziale Persönlichkeitsstörung genannt) manipuliert und beeinflusst worden bin. Den wenigen guten Momenten habe ich deutlich mehr Gewicht gegeben, als den vielen negativen. Es gab nie wirklich die gleiche Augenhöhe.
Kurz: Ich hatte meinem Bauchgefühl nicht mehr vertraut.

Ich bin heute sehr froh darüber, dass ich mich emotional auch von dieser Person hab lösen und distanzieren können. Ich werde in der Therapie weitere Stärke und Strategien gegen solch destruktive und negative Menschen mit solchen Verhaltensweisen erarbeiten und entwickeln, wurde ich doch schon seit Kindheitstagen immer ‚klein‘ gehalten. Aber das hat nun alles ein Ende. Ich trete mehr für mich und Respekt mir gegenüber ein. Ich werde mein Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein weiter nach oben schrauben.
Ich bin schließlich nicht verantwortlich für deren eigene verdrängte und unaufgearbeitete Vergangenheit, nicht verantwortlich dafür, dass sie dem nicht standhalten können, wenn sie mit sich selbst und dem eigenen Verhalten konfrontiert werden. Ich sprach z.B. nicht nur einmal mir falsch vorkommendes Verhalten an… Dessen Ergebnisse waren dann Verdrängung der Tatsachen und verdrehen der Realität, verbale Angriffe und weitere toxische Verhaltensweisen. Jetzt kann ich mich dagegen wehren. Ich hab mich nicht in die hilflose Opferrolle begeben, sondern dann selbst aktiv etwas geändert. Ich hatte gemerkt, dass ich da ohne entsprechende Hilfe emotional nicht alleine raus komme. Die Therapie hat mir dabei sehr geholfen, zu erkennen das ein solches toxisches Verhalten – egal welchem Menschen gegenüber – niemals gerechtfertigt ist. Ich mir selbst wieder mehr wert sein und gehen muss. Das habe ich getan. Letztlich war es der gleiche Schritt wie bei meinen Erzeugern. Zeitlich fiel diese Abgrenzung auch recht nah zusammen. Es war ein Prozess in mir, den ich durchmachen musste. Was will ich noch in meinem Leben und was will ich nicht mehr?

Solche Personen schaden ihrem Umfeld akut. Man kann nur anraten einen großen Abstand zwischen sich und diese toxischen Menschen zu bringen. Sie werden sich vermutlich nie ändern. Sie wollen schließlich nicht wahrhaben, was falsch läuft. Schuld haben immer nur die anderen. Sie übernehmen keine Verantwortung für ihr Handeln. Ein Perspektivwechsel ist ihnen kaum möglich. Dir werden immer wieder alte Sachen vorgeworfen, von denen sie sich schon früher angeblich absichtlich verletzt gefühlt haben. Verzeihen können solche Menschen nicht. Es werden Versprechungen gemacht, die nicht eingehalten werden. Man fühlt sich immer wieder schlecht im Umgang mit solch einem Menschen, man ist immer auf der Hut. Muss aufpassen, was man sagt. Ich als Autistin war immer wieder gezwungen zu kompensieren. Es ist reine Negativität. Ein Energiefresser. So etwas brauche und will ich nicht mehr in meinem Leben!

Aber auch trotz dieser sehr negativen Erlebnisse glaube ich weiterhin an das Gute in Menschen. Es gibt sie. Das habe ich in besagtem Oktober auch erleben dürfen. Eine Lebenserfahrung die ich nie wieder vergessen werde.

Ich hatte auch das Glück im vergangenen Jahr tolle Menschen (besser) kennengelernt und getroffen zu haben. Ihr alle wisst wer ihr seid!
Auch ein großes Dankeschön für all die tollen Online-Kontakte aus der Autismus-Community. Autisten und auch einige Angehörige. Es ist schön zu spüren nicht allein zu sein und verstanden zu werden, ohne sich groß erklären zu müssen. Das alles macht mir Mut und gibt Kraft. Ich habe auch viele positive Rückmeldungen über mich bekommen. Das Menschen gerne mit mir Zeit verbringen. Gerade unter dem Erlebnis mit der ungesunden ‚Freundschaft‘ tut so etwas der Seele gut.

Im Januar diesen Jahres wollte es das Schicksal so, dass mein Tattoo-Termin für eines am Handgelenk genau auf den 5. Geburtstag meiner Tochter fiel. Geplant war er ursprünglich zwischen den Feiertagen des Vorjahres, aber meine Tätowiererin war krank geworden. Ich fand den neuen gefunden Termin dann sogar sehr passend. Ist es doch ein besonderes Tattoo mit sehr emotionaler und tiefer Bedeutung für mich. Ich habe es auch selbst entworfen. In gewisser Weise war und ist es auch ein Zeichen für all die bereits geschehene und noch weiter kommende Veränderung in mir. Jedes mal, wenn ich dieses Tattoo betrachte, weiß ich, was ich alles im Stande bin zu erreichen. Aus meinem tiefsten Inneren heraus. Es weist mir meinen Weg zu mir selbst. Das hat mir über das Jahr auch sehr geholfen.
Beste und liebenswerteste Tätowiererin: „Just B Tattoos“ Heidelberg (Facebook).

Überhaupt habe ich 2018 meine Comfort-Zone immer wieder verlassen. Zum einen durch die Therapie, aber auch durch meinen eigenen Willen.
Auf dem Literaturcamp in Heidelberg im Sommer z.B. habe ich zum ersten Mal in meinem Leben einen öffentlichen Vortrag gehalten. Zusammen mit Inga Marie Ramcke (@ingamarieramcke) und Lars Fischer (@fischblog) sprachen wir über „Wissenschaft für Kinder“. Zwar recht spontan, aber letztlich war es eine wundervolle Erfahrung, die ich nicht missen möchte! Ihr beide seid wunderbare Menschen. Auch das gab mir eine ordentliche Ladung mehr Selbstvertrauen. Das Ganze gibt es auch auf Youtube in der Playlist vom Literaturcamp zu sehen.

Mein absolutes musikalisches Highlight war das neue und lang erwartete Album ‚Antidoron‘ von Neuroticfish. Es läuft seit Veröffentlichung im Dezember komplett in Dauerschleife. Eine gelungene Platte, die in ihrer Gänze auf eine Reise durch die Gedanken- und Gefühlswelt mit all ihren Emotionen führt. Etwas was du ganz genau verstehst und nachempfinden kannst, wenn du selbst einmal den Kampf gegen Depressionen angetreten hast.
Bereits im März 2015 habe ich eine Rezension zu einem Neuroticfish Song (Somebody vom Album ‚A Sign of Life‘) geschrieben. Nachlesen könnt ihr diese >hier< auf meiner Webseite.
Durch das aktuelle Album hab ich in den letzten Wochen wieder richtig Muße auf Musik bekommen. Ganz unweigerlich wippt irgendein Körperteil mit. Dieses Gefühl hatte ich schon lange nicht mehr… Danke!
Meine 3 Favoriten sind: Walk Alone, Hold of me und What is wrong.
Fazit: Hammer Brett das ihr da hingezaubert habt, Jungs! Textlich und musikalisch.
Wer in das Album mal reinhören mag, der kann das hier via Bandcamp: Neuroticfish – Antidoron tun.

Ich hab mich im vergangenen Jahr mit viel Papierkram herumschlagen müssen, obwohl das doch mein persönlicher Endgegner ist. Seit Februar 2018 bin ich auch endlich rechtskräftig geschieden. Ich habe mich allen Herausforderungen des Jahres als Alleinerziehende erfolgreich gestellt. Habe Steine, die mir von Außen und unnötigerweise in den Weg gelegt wurden, nicht nur umlaufen, ich bin auch daran immer mehr gewachsen. Letztendlich bin ich doch sehr stolz auf mich, was ich 2018 alles geleistet habe!

Ebenfalls habe ich mich auch immer wieder getraut, fremde Menschen anzusprechen, wenn der erste Eindruck positiv und offen auf mich wirkte. Sich Blicke kreuzten und ein Lächeln da war. So hab ich im Sommer auch eine mittlerweile gute Freundin in einem IC kennengelernt und hatte nun Silvester mit ihr verbracht. Aber auch auf der Hinfahrt zu ihr habe ich ebenfalls wieder Jemanden in einem EuroCity angesprochen. Es ergab sich spontan so und wir hatten ein schönes Gespräch. Kurz vor dem Ausstieg fragte ich dann einfach nach der Mailadresse. Mal sehen, was daraus vielleicht wird. Eine liebe Antwortmail habe ich jedenfalls gestern erst erhalten. :-)

Ich habe mit der Zeit meinem Umfeld auch immer deutlicher kommuniziert was meine Bedürfnisse und auch Grenzen sind. Ich bin meinem ‚Ich‘ welches durch jahrelange Kompensation und der Maske ’nicht autistisch zu wirken‘ immer mehr verloren ging, nun endlich ein gewaltiges Stück näher gekommen. Ich bin im Vergleich zu vor einem Jahr auch deutlich zufriedener und glücklicher in meinem Leben. An meiner finanziellen Situation hat sich zwar nichts verändert, aber auf Geld kam es mir sowieso noch nie an. Das was mich glücklicher und zufriedener macht, ist vor allem Selbstakzeptanz und das Vertrauen in mich selbst. Ich bin auf dem richtigen Weg.

Den Weg, den ich 2019 weiter gehen werde.

Header-Foto habe ich im Schloss Versailles aufgenommen.

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Wenn du nicht ernst genommen wirst…

Mittlerweile ist dieses Trauma genau 5 Jahre her und ich habe nun den Mut gefunden, auch öffentlich darüber zu sprechen.

Aber vorher noch etwas Allgemeines, bevor ich zu meinen persönlichen Erlebnissen komme…
Ich höre bzw. lese immer wieder, dass Autisten oder Behinderte – mit welcher Einschränkung auch immer – oftmals nicht ernst genommen werden oder dann eher nur mit der Begleitung gesprochen wird, obwohl derjenige ja selbst nebendran steht.
Ich weiß nicht woran es liegt, dass eine offensichtliche Behinderung oder so eine Vorurteils- und Klischeebehaftete wie Autismus, von einigen Menschen so behandelt wird, als wäre man einen ‚happen doof‘ und gerade mal so in der Lage zu existieren. Schlimm und auch gefährlich wird es dann, wenn das Menschen sind, von denen man abhängig ist. Also z.B. Ärzte oder in anderen Behörden und Ämtern, wenn es um die Gewährung irgendwelcher anderer Hilfen geht.
Es ist so schon nicht leicht für Autisten sich Hilfe zu suchen. Gibt es doch von Beginn an viele Hürden. Zunächst einmal die korrekte Selbsteinschätzung, ob denn nun das Problem auch schlimm genug ist, um sich Hilfe zu suchen. Ich selbst neige leider dazu, Schmerzen bei mir viel zu lang auszuhalten, weil es mir schwer fällt abzuschätzen, ob das nun tatsächlich so ernst ist, dass ich ins Krankenhaus müsste.
Warum auch immer fällt mir das bei meiner Tochter deutlich leichter, das dann von außen abzuschätzen. Vielleicht ist es aber auch genau jenes Erlebnis das ich weiter unten dann schreibe, was mich fast übervorsichtig bei ihr macht… aber nochmal kurz zurück zum allgemeinen Teil.
Mal eben so irgendwo anrufen, Termin beim Hausarzt oder woanders zu machen, das funktioniert bei Autisten nicht wirklich gut. Wann immer es geht, laufe ich persönlich hin und hole mir so einen Termin. Hinzu kommen dann oft noch volle Wartezimmer, Geräusche, ungewohnte Umgebung – Reize die Autisten belasten. Unter Schmerzen ist die Kompensationsfähigkeit dann noch zusätzlich herabgesetzt (ich denke das kennt jeder, auch Nicht-Autisten) und um so schneller ist man schon im Overload.
Hat man es dann geschafft und ist im Behandlungs- oder Besprechungszimmer kommt die nächste Hürde. Zu beschreiben was man denn für ein Problem hat.

Hier möchte ich dann nun mit den ganz persönlichen und prägenden Erfahrungen fortfahren…
Ich machte bereits in meiner Kindheit und Jugend die Erfahrung, dass ich mit meinen Sorgen, Beschwerden oder Ängsten fast nie ernst genommen wurde. Vielleicht liegt es daran, dass ich trotz großer Schmerzen noch immer ziemlich sachlich beschreibe was los ist. Für einen Arzt mag das dann eben so wirken, als wäre ja alles gar nicht so schlimm. Neurotypische Menschen schmücken ihre Wehklagen sicher mit deutlich mehr Emotion und Füllworten, die zu verstehen geben, dass es für sie so schlimm ist, dass sie Hilfe benötigen.
Als ich mit 19 Jahren Gallenkoliken hatte, wurde ich auch nicht ernst genommen das es wirklich heftige Schmerzen sind. Ich bekam 1 Stunde lang kein Schmerzmittel, obwohl ich sagte, dass ich Schmerzen habe. Bis ich es überhaupt nicht mehr aushielt und weinte. Dann nach weiterer Wartezeit gab es einen Ultraschall – ja, Gallensteine. Aber gehen sie doch bitte wieder nach Hause, kann ja nicht so schlimm sein. Am Abend darauf erneut heftige Koliken. Ich wurde in ein anderes Krankenhaus gefahren, ich kommunizierte, dass ich erst am Vortag woanders gewesen wäre und man mich wieder heim schickte. Hier im Zweiten nochmal Ultraschall und dann OP nur 2 Stunden später.

2012 bin ich dann schwanger geworden. Die ersten Monate waren, was die Schwangerschaft selbst anging, okay… nur mein erster Frauenarzt war nicht gut. Damals stand der Verdacht auf Autismus bei mir schon ziemlich deutlich begründet im Raum. Ich teilte das dem Arzt mit und erhielt direkt die Aussage, dass das gar nicht sein könne, weil ich ja hier sitzen würde und mit ihm rede. Ohne zu schaukeln und zu sabbern.
Ich ging dort nicht mehr hin. Wie sich im Nachhinein auch herausstellte berechnete er sogar den Geburtstermin falsch. Bald hatte ich einen anderen Frauenarzt gefunden, viel Auswahl gab es in dem Ort damals nicht… dem neuen erzählte ich nichts vom Autismusverdacht. Ich hoffte nicht mehr auf Verständnis zu diesem Thema. Ich machte dann bei ihm alle Vorsorgeuntersuchungen. Ich bekam eine Symphysenlockerung diagnostiziert, die sich von Woche zu Woche verschlimmerte. In der 24. SW war es dann so, als hätte ich bei der kleinsten Bewegung Rasierklingen zwischen den Beinen im Becken. Kein Druckschmerz, sondern unglaublich stechend und schneidend. Aber so wirklich ernst nahm mich der Arzt auch nicht. Ich bekam erst auf mehrmaliges Nachfragen dann solch einen Beckengurt, der die Beschwerden lindern sollte, weil er das Becken wieder zusammenpresst… geholfen hat es mir leider nicht. Selbst sitzen war zur Qual geworden.
Ich konnte mich irgendwann nur noch unter größter Anstrengung bewegen. Die Schmerzen wurden fast unerträglich. Also wieder zum Arzt, es stand sowieso eine Untersuchung an, weil einige Blut- und Urinwerte außerhalb der Norm lagen. Eine Vorderwandplazenta hatte ich ebenfalls. Weil der errechnete Geburtstermin nun nicht mehr all zu weit war, fragte ich, was denn die bessere Option sei wegen der Symphysenlockerung.
Natürliche Geburt war mein Wunsch. Aber ich konnte ja jetzt schon kaum noch irgendwas und die Angst vor einer möglichen Symphysenruptur war ebenfalls da. Eine wirkliche Beratung bekam ich nicht von ihm. Lediglich die Antwort, dass ich das halt selbst entscheiden müsse ob natürliche Geburt oder Kaiserschnitt. Ja, danke für gar nichts. Also wieder heim.
Dann nur wenige Tage später bemerkte ich, dass sich meine Tochter im Bauch deutlich weniger bewegte als sonst. Ich wartete noch einen Tag, es besserte sich nicht, dann doch mit ziemlicher Sorge zum Arzt (38 + 0). Ich sprach an, dass ich Angst vor einer mehrmaligen Nabelschnurumwickelung hätte, aufgrund der deutlich weniger spürbar gewordenen Kindsbewegungen. Herztöne abhören – alles ok. Der Arzt tat mich ab, als wäre ich nur eine der überbesorgten Mütter, und teilte mir mit, dass so eine einmalige NSU ja auch ganz normal wäre und ich mir doch mal nicht so viele Gedanken machen solle.
Ich fühlte mich so unglaublich hilflos und selten so wenig ernst genommen.
Ich sprach daraufhin erneut meine Schmerzen an. Es war ein Freitag. Es wurde ein Kaiserschnitt für den kommenden Dienstag, den 29.01.2013 angesetzt. 2 Wochen vor errechnetem Termin.
Das Wochenende war schlimm für mich… noch immer die Unsicherheit, warum das nun auf einmal so schlagartig weniger war an Bewegung… sie war sonst immer sehr aktiv. Ich blieb dabei… ich spürte und ahnte es. Da ist definitiv was mit der Nabelschnur, nur glaubt es mir niemand, nimmt mich nicht ernst und mal per Ultraschall kontrolliert hat es auch keiner.
Ich hoffte einfach nur darauf, dass ich wenigstens ab und an noch ihre Bewegungen spüre… wir beide bis zum Dienstag durchhalten.
Montag ging es schon kurz ins Krankenhaus zur Blutabnahme und Vorgespräch mit dem Anästhesisten. Ihm erzählte ich, dass damals während der Gallenblasenentfernung das Narkosemittel bei mir nicht so gewirkt hatte wie es sollte. Wohl zu niedrig dosiert, weil mein Körper das anders verarbeitet (auch etwas, was ich immer wieder von anderen Autisten gehört habe, dass Medikamente gar nicht, konträr oder irgendwie anders wirken, als erwartet). Danach ging es wieder heim. Ja, ein schönes Hin- und Her mit all den Schmerzen. Aber ich ertrug das alles tapfer.
Dienstag Morgen ging es bei Zeiten ins Krankenhaus. Ich fühlte mich überfordert von all meinen Gefühlen.
Ich sollte mich dann ins vorbereitete Krankenbett legen, bekam einen Blasenkatheter verpasst und dann ging es auch schon bald ab in Richtung OP-Schleuse. Ich wurde rüber gehieft wie so ein bestelltes Essen im Restaurant, das über den Küchentresen geht. Im Vorraum von einer Schwester große Erklärung dass ich mich dann beim setzen der Spinalanästhesie keinesfalls bewegen dürfe, man mich deswegen zu Zweit in einem nach vorn gebeugten Klammergriff festhalten würde. – Ja… hätte man mir ja auch schon mal einen Tag vorher sagen können… aber was hatte ich jetzt für eine Wahl? Keine.
Ich wollte nur noch, dass es endlich vorbei ist. Das Licht war grell, da wuselten jede Menge Leute rum… Reize, die es mir nicht leichter machten. Es gab eine örtliche Betäubung an der unteren Wirbelsäule, schon die Nadeln merkte ich nicht – dann die große Nadel für die Spinale, die ich übrigens kein bisschen gespürt hatte. Erklärte mir man doch vorher, dass ich die trotz örtlicher Betäubung noch merken würde. Tat ich nicht, war mir recht… das Mittel begann zu wirken und ich wurde in den eigentlichen OP-Saal geschoben. Der Operateur war auch mein Frauenarzt. Im Raum standen etwa 10 Leute… Schwestern und noch so ein paar andere, die einfach nur zuguckten, mit einem unterhielt ich mich noch, es wäre erst seine zweite OP, die er begleiten würde.
Dann ging es los, Tücher wurden mir vor’s Gesicht gehangen (ich fand das furchtbar, ich hätte viel lieber gesehen, wie das Kind rausgeholt wird). Es wurde gefragt, ob ich denn gerade dieses oder jenes spüren würde. Ich verneinte. Dann merkte ich ein dumpfes an mir herumruppen. Ich hatte mich im Vorfeld ein wenig mit dem Kaiserschnitt beschäftigt. Guckte mir auch ein OP-Video an. Mir war dann auf dem OP-Tisch liegend klar, dass ist jetzt der Moment nach der ‚Misgav-Ladach-Methode‘.
Dann hörte ich ein „Ohh…!“
Kurze Stille und Hektik vor mir.
Ich wusste, jetzt ist irgendwas.
Einen kleinen Moment später beglückwünschte man mich zu meiner Tochter. Es war 08:31 Uhr. Mein erster Gedanke: „Warum zeigt man sie mir nicht und warum schreit sie nicht?“ Eine Hebamme verschwand sofort mit ihr in einem Nebenzimmer. Dann endlich das für mich sehr erlösende Babyweinen. Diese 2-3 Minuten in denen ich nicht direkt mein Baby sehen konnte, sie kamen mir so endlos lang vor. Dann brachte man sie mir, eingewickelt in ein Handtuch. Man hielt sie an mich heran… ich konnte ihr Gesicht sehen. Es war ziemlich blau. Ich erschrak und begann zu weinen. Man beruhigte mich dann wieder… Baby und Mann verschwanden hoch auf Station. Ich hatte mein Kind nur kurz sehen dürfen.
Ich wurde wieder verschlossen… ein Assistenzarzt begann die blutigen Tücher durchzuzählen und wegzuräumen. Ich sprach ihn an und scherzte, ob er sich auch nicht verzählt habe. Sichtlich erschrocken, dass ich das überhaupt so mitbekam und auch sah, zählte er direkt nochmal durch. Stimmte alles. OP-Besteck sei auch vollständig. Nix vergessen in mir. Dann ging es zum Aufwachraum.

Ein weiterer schlimmer Zeitraum für mich. Hatte man in diesem Krankenhaus noch nichts davon gehört, dass es wichtig ist, dass Mutter und Kind so früh wie möglich beianander sind, um eine Bindung aufzubauen?
Stattdessen lag ich da in einem immerhin etwas abgedunkelten Raum. Mit 2 anderen, die wohl auch aus irgendeiner OP kamen… Ich war so traurig, da allein liegen zu müssen. Die Erinnerung an dieses ‚Ohh‘ und das meine Tochter so blau war. Was war los? Ich lag da komplett verunsichert. Es guckte immer mal eine Schwester nach uns… ich fragte, wann ich endlich zu meiner Tochter könne… ich bekam als Antwort „Wenn ich meine Beine wieder bewegen könne.“
Kein schönes Gefühl… so eine Antwort und du merkst, dass du eben keine Kontrolle über deinen Unterkörper hast.
Ich war nun gedanklich so darauf fokussiert Muskeln anzuspannen, um endlich wieder die Beine bewegen zu können… eine halbe Stunde verging… dann endlich die Füße und langsam auch etwas die Knie anheben. Nun wurde ich endlich nach oben auf Station gebracht. Meine Tochter hatte mittlerweile eine normale Hautfarbe.
Die ersten Stillversuche klappten nicht. Die Stillbeauftragte war auch nicht gerade einfühlsam. So eine vom alten Schlag, dass ich mich doof anstellen würde, ungeduldig war sie… das müsse gehen. Aber es ging nicht wirklich gut. Das Kind saugte so unglücklich an meinen Brustwarzen, dass sie schon bald zu schmerzen begannen. Diese Haltung, jene Haltung, Brust so halten, Kind in diesem Winkel… es klappte einfach nicht. Die Brüste schmerzten, weil ja auch nicht viel Milch abgetrunken wurde… Töchterchen bekam dann nun das Fläschchen und ich versuchte das mit dem Abpumpen. Das ging. Und ich war glücklich, dass sie dann also doch meine Milch bekommen kann.
Der Frauenarzt kam dann auch am Tag darauf zu mir.
Wundkontrolle und dann sagte er es…
„Es ist gut gewesen, dass Sie sich für einen Kaiserschnitt entschieden hatten, es hätte unter einer natürlichen Geburt definitiv Schwierigkeiten gegeben und die Gesundheit des Kindes hätte nicht garantiert werden können.“
Ich sachlich (vermutlich auch geschockt über das was er gerade sagte): „Warum?“
Er: „Es lag eine straffe 3-fache Nabelschnurumwickelung direkt um den Hals vor!“
Ich: „…“
Ich brachte kein Wort mehr heraus. Und dann ging er…
Bämm! Das hat gesessen. Ich war schockiert. Mich überranten meine Gefühle. Ich lag glaube ich eine ganze Weile nur teilnahmslos da… starrte leer vor mich hin. Das Kind in einem Plastik-Bettchen auf Rädern neben mir.
Ich hatte also recht. Meine Wahrnehmung war richtig!
Meine Sorge und Angst begründet!
Man nahm mich einfach nicht ernst!
Ich war wütend. Hilflos. Traurig. Verunsichert.

Ein ‚hätte-wäre-wenn‘ begann in meinem Kopf.
Hätte sie es überhaupt bis zum errechneten Geburtstermin überlebt?
Oder auch nur einen Tag länger?
Wäre Mittwoch schon zu spät gewesen?
Was wäre gewesen, wenn ich mich doch zur natürlichen Geburt entschlossen hätte?
Hätte ich mein Kind ganz verloren?

Ich war traumatisiert.

Die nächsten Tage im Krankenhaus waren auch nicht hilfreich. Diese Stillschwester, die es nicht dabei belassen wollte, dass ich mit dem Abpumpen zufrieden war, nein, ich musste das Kind immer wieder anlegen. Die Folge: wieder wunde Brustwarzen und ein schreiendes Baby, weil es keine Milch bekommt.
Ich war mit allem überfordert. Man unterstützte mich nicht, ich bekam nur zu verstehen, dass ich mich nicht genug anstrengen würde…
So hatte ich mir das alles nicht vorgestellt. Gesellschaft und Medien suggerieren einem ja auch nur das perfekte Bild von Schwangerschaft, Geburt, Stillen und all dem anderen tollen Mutter-Kram.
Nach 4 Tagen gab die Stillbeauftragte dann auf und ich wurde in Ruhe gelassen mit erneuten Still-Versuchen. Ich pumpte regelmäßig ab… ziemlicher Aufwand… und fütterte meine Tochter über die Flasche mit der eigenen Milch. Es war okay für mich. Nach einer Woche durfte ich dann heim.
Das zog ich dann 6 Monate lang durch. In der Zeit schlief ich nicht viel. Immer nur Stundenweise. Hatte ich doch diese Doppelbelastung aus Abpumpen und füttern.
Was noch hinzu kam…
Exakt 8 Wochen nach der Geburt bekam ich in einer auf Asperger-Autismus spezialisierten Abteilung einer Uniklinik die Diagnose gestellt. Meine Tochter hatte ich mit dabei.
Bald darauf stürzte ich in eine heftige Depression und auch Zwangsgedanken entwickelten sich. Vermutlich ausgelöst durch die Hormonumstellung nach der Geburt. Auch hier wieder… wirkliche Unterstützung/Hilfestellung bekam ich nicht vom Frauenarzt und um das alles allein in die Wege zu leiten, vergeblich zu telefonieren, nur um auf mehrmonatigen Wartelisten zu landen… nach 2 Versuchen hatte ich keine Kraft mehr dafür.
Ich kämpfte mich allein da durch.
Die Diagnose Autismus… das traumatische Geburtserlebnis… eine sich wirklich unmöglich benehmende Schwiegermutter, die sich zu der Zeit auch noch selbst einlud… ich hatte keine Ruhe auch nur annähernd etwas zu verarbeiten.
Ich wurde depressiv. Aber ich bekam das allein hin… ich überstand die Zeit der Zwangsgedanken (gut für eine schöne Mutter-Kind-Bindung war das damals nicht)… und irgendwann nach einem halben Jahr ging es mir etwas besser. Ich begann mich mit dem Thema Autismus deutlich mehr auseinanderzusetzen.

Nun sind 5 Jahre vergangen. Das Leben verlief bis hierher auch eher in Strudeln. Mal mehr, mal weniger. Doch jetzt habe ich die Kraft gefunden das alles endlich mal mittels professioneller Hilfe aufzuarbeiten.

Ich freue mich das du bei mir bist.
Und morgen dann… Happy Birthday meine Kleine.

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Paris 2.0 – Tag 1

25.09.2016

(zur Erinnerung… kursiv Geschriebenes, sind Gedanken in diesen Momenten)

Nach einer ziemlich kurzen Nacht schnappte ich mir dann also in aller Frühe meinen deutlich zu schwer geratenen Trekkingrucksack (15kg!) und ging zur Straßenbahnhaltestelle. Sonntags zu dieser Uhrzeit war dementsprechend nichts los und ich konnte die Ruhe genießen. Vorbereitet wie ich war (da die Straßenbahn Sonntags nur stündlich fährt) kam ich natürlich zu früh dort an. Aber lieber so, als anders herum. Die 15 Minuten die ich noch warten musste, vergingen dank mp3-Player (ja ich hab noch so einen Altmodischen mit Batterie – die bekommt man immerhin überall auf der Welt zu kaufen. Das ‚leerer-Akku-Problem‘ habe ich also nicht) recht flott. Und weil die Straßenbahnlinie nicht direkt am Heidelberger Hbf vorbei kommt, lief ich dann also die paar Hundert Meter und ärgerte mich schon hier, dass der Rucksack so schwer geworden war. Nun gut – so war ich wenigstens für alle Eventualitäten vorbereitet. ;-)

Pünktlich 07:48 Uhr ging es mit der Regionalbahn und einem schönen Sonnenaufgang, an diversen Nebelfeldern vorbei, in Richtung Karlsruhe. Kurz 3-4 Sätze mit den Anderen im Abteil über das gröhlende ‚Oktoberfest-Volk‘ amüsiert, dass glücklicherweise in Heidelberg ausstieg und dann machte jeder sein Ding bis Karlsruhe. Hier hatte ich dann noch eine knappe Stunde Aufenthalt, bis mein TGV aus Stuttgart eintreffen sollte.
Ich nahm dann also im kühlen Bahnhof auf einer der Bänke platz. Nach einer weiteren Regionalbahn, die am Gleis hielt füllte sich doch zunehmend der Wartebereich für den TGV. Ausgestiegen war auch ein junger Typ, der dann begann wahllos und unverständlich um sich zu brüllen. „Hallo… Haaaallooooooo… eine Schei**e ist das hier… Haallooooooo“… der junge Kerl auf der anderen Bank neben mir schaute mich auch nur ratlos an und dann lauschten wir beide doch wieder unserer Musik. Nach vielleicht 10 Minuten begann der Typ dann wieder herumzubrüllen… Ich wand mich ihm dann doch zu und fragte, ob man ihm irgendwie helfen könne. Er meinte dann, dass er blind sei und ihn niemand von der Bahn hier abholen würde. So auf diese Art und Weise hier wahllos rumzubrüllen und zu fluchen, bringt dir aber auch nicht die gewünschte Hilfe… Jedenfalls fragte ich dann, wo er hin wolle… Stuttgart… gut. Als ich aufstehen und zum Abfahrplan laufen wollte, gab sich die Frau mir gegenüber aber als Bahnmitarbeiterin zu erkennen (war in Zivil) und nahm sich des Herrn an. War das also gelöst. Abhaken. Toll… fängt ja schonmal aufregend an hier.
Danach sollte ich dann mit dem jungen Kerl von der anderen Bank ins Gespräch kommen. – Noch ca. 20 Minuten bis mein TGV einrollt… Er sah mich etwas länger an und nahm dann seine Kopfhörer von den Ohren…
Er: „Do you speak english?“ Na super… Smalltalk direkt auf english. Also gleich das volle Programm. „I’ll try… but it’s not good.“ Daraufhin begann er zu lachen und meinte nur (auf english), dass das irgendwie alle Deutschen sagen würden… na immerhin hatten wir was zu lachen ;-)
Ich erfuhr, dass er aus Albanien kommt und hier für 1 Jahr arbeitet. Was sich dann auch sehr schnell zeigte war, dass ich mit der Einschätzung seines Alters doch sehr weit daneben lag. Weil ich es nicht glauben konnte, präsentierte er mir dann doch seinen albanischen Ausweis haha… doch erst 20… und ich tippte auf Ende 20 – ups. Das er mich hingegen auf 25 geschätzt hatte… nettes Kompliment, aber als Frau weißt du ja sowieso nie so recht, ob sie nicht absichtlich tief ansetzen ;-)
Im Laufe des Gesprächs fragte er mich, ob ich nach Paris zur Fashion-Week wolle (der TGV nach Paris erschien mittlerweile auf der Anzeige). Mein Outfit würde doch irgendwie danach aussehen. Haha… ich weiß jetzt nicht, ob das ein Kompliment war oder doch was anderes… immerhin war ich doch recht eigenwillig in der Zusammenstellung meines heutigen Outfits ;-)
Wir unterhielten uns dann noch über alles Mögliche und ich konnte ihn einige Dinge über Albaniens Kultur und Land & Leute fragen – ich gab ihm im Gegenzug noch ein paar Tipps, was er sich hier in der Gegend unbedingt ansehen solle… Alles in allem ganz unterhaltsam und die Zeit verstrich ziemlich schnell. War also nicht so tragisch, dass keiner meiner Twitter-Follower Zeit für ein kurzes Treffen hatte.

Dann kam auch schon seine Bahn und nur kurze Zeit später fuhr mit 5 Minuten Verspätung 09:37 Uhr auch mein TGV ein. Ich hatte zunächst ein wenig Sorge, ob ich nicht im komplett falschen Gleisbereich stehe, denn laut Wagenstandsanzeiger gab es gar keinen Wagen 8, so wie es aber auf meiner Reservierung stand… nur Wagen 16… auf gut Glück stellte ich mich dann einfach da hin. Und lag mit meiner Einschätzung doch fast richtig. Zu meiner Verwunderung war ich doch recht entspannt in der Hinsicht, schon meinen Platz im Zug zu finden, obwohl der Wagon nicht ausgewiesen war. Ein klarer Fortschritt zu letztem Jahr… da war ich doch deutlich nervöser, als da die Sache mit dem Zug ebenfalls unübersichtlich verlief.
Dieses mal fand ich dann auch meinen Platz ziemlich schnell. Leider bekam ich durch die kurzfristige Buchung nur noch in der unteren Etage einen Platz. Vierer-Sitz mit Tisch in der Mitte, ganz am Ende des Wagens. Mit auf meinem Sitz lag quer ein kleiner Junge, der gerade schlief. Einmal wecken bitte. Die Familie die mit mir dort ihre 3 Plätze hatte, war ganz nett. Nur wenige Worte auf english (haha – was sonst) zur Begrüßung und dann sprachen sie untereinander wieder eine dieser arabischen Sprachen. Kenne mich da leider nicht aus und nachgefragt hatte ich auch nicht. Ich war ganz froh, während der Zugfahrt dieses mal keinen Smalltalk halten zu müssen.

Bei strahlendem Sonnenschein fuhren wir also in Richtung Frankreich. Mit noch immer leichter Verspätung kamen wir 10:20 Uhr in Strasbourg an. Hier bemerkte ich schon deutliche Veränderungen zum Vorjahr. Wesentlich mehr bewaffnetes Militär an jedem Gleis, staatliche Polizei, Bahnhofsschutzpolizei und auch zusätzlich noch Sicherheitspersonal. Ist doch noch immer Ausnahmezustand aufgrund der ganzen vergangenen Anschläge. Hier sah ich es zum ersten mal mit eigenen Augen und es rief mir die Bilder vom November des letzten Jahres ziemlich schnell vor Augen. Aber nicht weiter dran denken… wird schon alles gut gehen.
Insgesamt merkte ich aber, dass ich seit ich im TGV saß, deutlich entspannter war. Der Zug fährt schließlich bis Paris. Ich werde also definitiv ankommen. Auch heute hielten wir kurz vor Strasbourg außerplanmäßig, aber das machte mir dieses mal gar nichts aus und ich blieb vollkommen unbeeindruckt. Kein Vergleich zum letzten Jahr. Schöne Entwicklung.
Wenig später rollte der TGV 9576 (übrigens exakt der Gleiche wie 1 Jahr zuvor) weiter und nahm bereits kurz hinter Strasbourg ordentlich Fahrt auf (hier bereits 296 km/h). Gab es doch eine erfreuliche Neuerung. Die Fahrzeit mit dem TGV verkürzte sich um eine halbe Stunde zum Vorjahr. Also dauerhaft ordentlich Gas geben bis Paris auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke.
Dieses Jahr kam noch dazu, dass mein Sitzplatz Rückwärts zur Fahrtrichtung war. Das war in der ersten Minuten der ganzen Beschleunigung ein doch recht ungewohntes Gefühl, legte sich dann aber rasch. Was mich aber auch in diesem Jahr immer wieder erschreckt hatte, waren die Momente in denen wir mit 320 km/h an einem uns entgegenkommenden TGV (der vermutlich genauso schnell unterwegs war) vorbei donnerten. Donnern ist hier wirklich ein passendes Wort, denn der erste ‚Knall‘ ist doch recht laut und der seitliche (kurze) Druck an der Scheibe ebenfalls etwas unangenehm. Aber das alles dauert vielleicht nur 2-3 Sekunden. Kommt nur eben ohne Vorwarnung.
Auch wenn ich heute landschaftlich von der unteren Etage aus leider nicht so viel schauen konnte, bemerkte ich aber doch, dass je näher wir Paris kamen, der Himmel sich zunehmend verdunkelte. Super. Stand so mal überhaupt nicht im Wetterbericht. Kann ich nicht gebrauchen, auch wenn ich drauf vorbereitet bin. Doch leider begann es, als wir die ersten Vororte erreichten doch heftig zu regnen und hielt bis Paris an.
Als wir pünktlich 12:05 Uhr am Gare de l’Est ankamen stülpte ich meinem Rucksack gleich die eingebaute Regenschutzhülle über. Was dann aber (zum Glück) völlig unnötig war, da es nur noch vereinzelte Tröpfchen nieselte, als ich den Vorplatz des Bahnhof betrat.
Was mich hier stattdessen erwartete war ein ziemliches Hupkonzert und jede Menge Polizei. Sowie Absperrungen und Autos die aus dem Zentrum kamen, aber nicht hinein durften.
Ich twitterte gleich, was hier los war und bekam doch zum Glück auch schnell einige Antworten. Natürlich. Autofreier Sonntag. Zum zweiten Mal. – War letztes Jahr doch genau das Gleiche – wie ich das nur vergessen konnte. Also nichts passiert. Kein Anschlag oder ähnliches. Erleichterung!

Mit Sack und Pack machte ich mich auf in Richtung ‚Le Marais‘. Einfach nur dem BD de Strasbourg folgen und irgendwann links in eine der Straßen abbiegen. Bei Tage sieht das Viertel ganz anders aus als Abends. Schon sehr faszinierend. Durch den Autofreien Sonntag sogar noch deutlich verlassener. Der feuchte Boden tat sein Übriges dazu. Eine ganz besondere Stimmung. Ein paar Fotos hier… ein paar Fotos da. Im Viertel gab es einiges an neuer Streetart zu entdecken. Der Blick weiter nach oben an den Wänden lohnt sich also. Ich laufe durch diverse Gassen weiter bis zum Place des Vosges. Ein schöner Park. Perfekt um mal ein wenig durchzuschnaufen. Danach geht’s weiter über die Rue St. Antoine und mache noch eine kleine Foto-Visite in der St.Paul-St.Louis Kirche. Kann ich jedem nur empfehlen. Tolle Architektur!
Weiter vorbei an verschiedenen Modeboutiquen und hier hatte ich dann auch meinen ersten intensiveren Blickkontakt (viele von euch wissen ja, dass ich damit keine Probleme mehr habe), mit einem Herrn der dort in einem Eingang stand. Wer als Frau schonmal allein in Paris unterwegs war, der weiß sicher was ich meine. Heißt nicht umsonst ‚Stadt der Liebe‘. Jedenfalls nahm ich das dann auch direkt als Anlass, genau das zu genießen und mitzuspielen. Nach der Trennung tut’s schließlich auch einfach mal gut, Männer noch immer mit nur einem Blick dazu bringen zu können, dass sie auch nicht mehr wegsehen wollen! ;-)
Nun aber weiter zum Maison Européenne de la Photographie, aber da ich ja noch den ganzen Kram mit mir herumschleppe, gehe ich noch nicht rein. Nehme allerdings begeistert zur Kenntnis, welche Fotografen zu sehen sind. Steht also auf der Liste. Vor mir noch 2 Herren mit ihren Hunden… click – Foto. Lustige Szene.
Hier in diesem Moment entscheide ich mich dann auch dazu, es beim Hotel vom letzten Jahr einfach nochmal zu probieren. Die Leute waren schließlich sehr nett. Also ab in die Metro. Am Hotel angekommen gleich ein bekanntes Gesicht und ich werde sogar wiedererkannt. Perfekt. Zimmer ist auch noch frei. Für mich wird sogar noch ein wenig die geplante Belegung umsortiert und ich bekomme ein Zimmer, neben dem vom letzten Jahr. Supi. Preislich bekomme ich auch wieder einen kleinen Nachlass. Ein freundliches Lächeln und kurzer Smalltalk zeigen Wirkung.
Also hoch auf’s Zimmer. Endlich den schweren Rucksack ablegen und feststellen, dass sie renoviert haben. Schick geworden und mein Bad ist größer, als im letzten Jahr ;-)
Ich gönne mir eine halbe Stunde Ruhe, packe meine Umhängetasche neu und dann geht’s mit der Metro zur Pont Neuf, um ein wenig an der Seine entlang zu schlendern. Es gibt einiges an Kunst mit Umweltbezug zu sehen. Ein besonderer Publikumsmagnet ist eine ziemlich große Luftaufnahme von Paris, die auf der Straße angebracht ist. Ich nehme es im ersten Moment gar nicht richtig wahr und wundere mich, warum die Leute so nach unten schauen – bis ich selbst meinen Blick senke. Schöne Idee, diese Art der interaktiven Kunst.
Hier nehme ich mir auch noch einmal die Zeit und setze mich ans Ufer, genieße die Sonne und beobachte ein wenig die Menschen… Ziemlich flott war dann auch schon wieder eine halbe Stunde um. Weiter ging es dann oben an der Straße. Vorbei an den diversen Malern entlang des Louvre.
Am Tuileries steige ich wieder in die Metro. Ich will noch zum autofreien Champs-Élysées.
In der Metrostation habe ich auch meine Begegnung mit dem Herrn, der erst neben mir auf die Bahn wartete und dem ich dann im Wagen gegenüber saß. Wirklich unglaublich feine und elegante Kleidung. Grandioser Stil und eine Ausstrahlung, die etwas sehr faszinierendes hatte. Aus seinem Stoffbeutel ragt ein Schneiderlineal hervor, dass mich dann endgültig überzeugt hat, dass er Modedesigner sein muss. Hm, bei dem verdammt teuer aussehenden Schmuck, den er da am Handgelenk trägt, ist es wohl der ‚Meister‘ selbst. Aber da ich nunmal kein Paparazzo bin und auch keinen Wert auf diese Mentalität lege, habe ich ihn natürlich nicht gefragt, wer er ist oder gar offensichtlich irgendwelche Fotos gemacht. Lediglich eines, als ich die Kamera auf dem Schoß hatte. Wirklich wohl fühle ich mich aber auch dabei nicht… diese Art der heimlichen Fotografie ist einfach nicht mein Stil. Natürlich auch nur, um hinterher dann festzustellen, dass ich das Gesicht nicht komplett mit drauf habe. Ich hatte gehofft, hinterher mit Hilfe von google selbst herauszufinden wer das denn nun war.
– Mein Angebot steht daher noch – wer mir als Erstes sagen kann, welcher asiatisch aussehende Modedesigner das ist, darf sich eines der Fotos (die auch noch kommen werden) als Print aussuchen. Es lässt mir doch einfach keine Ruhe. ;-)
Am Arc de Triomphe angekommen ein nettes Bild entlang der Allee. Zwar Menschen ohne Ende, aber definitiv ein faszinierender Anblick so ganz ohne Autos. Aber auch hier bemerke ich ziemlich schnell einen heftigen Unterschied zum letzten Jahr. Deutlich mehr Militär und bewaffnete Polizei. Auch vor den einzelnen Geschäften selbst noch einmal Sicherheitspersonal und teilweise auch Metalldetektoren. Das gab es im vergangenen Jahr alles noch nicht. Jeder der auf die Champs-Élysées will, wird kontrolliert an einer der diversen Absperrungen. Aber alles läuft mit französischer Ruhe ab. Es ist einfach so und wird akzeptiert. Man möchte schließlich weiter das Leben genießen. Als Einschränkung empfinde ich das jedenfalls nicht. Im Gegenteil, es beruhigt.
Jedenfalls beschließe ich, mich nicht zu sehr an den vielen Menschen zu stören – ich habe ja auch damit gerechnet – also keine Überraschung. Ich folge also der Straße nun wieder in Richtung Place de la Concorde. Es herrscht schon fast eine Art Feststimmung auf der Straße. Es gibt viele Künstler, Tänzer und Musiker, um die sich immer wieder Menschentrauben bilden. Auch ich bleibe immer wieder stehen und schaue bzw. höre zu. Die Stimmung ist wirklich sehr locker. Kennt man von Deutschland nicht unbedingt. Einige picknicken auch mitten auf der Champs-Élysées. Witziger Anblick und ein Zeichen dafür, dass die Pariser das Leben weiterhin genießen.
Am Place de la Concorde dann angekommen entstand auch das Titelbild des heutigen Beitrages.
Eine wahnsinnig lange Zeltkonstruktion genau vor dem Garten, mit der Aufschrift ‚Paris sur Mode‘. Die Fashion-Week sollte schließlich bald losgehen.
Langsam begann auch die Dämmerung und ich fuhr noch einmal zum Hotel um mein Stativ für die Langzeitbelichtungen heute Nacht zu holen. Beim Umsteigen in der Metro kam ich auch an einem Streichorchester vorbei, das schon von weitem zu hören war. Auch hier lauschte ich noch eine ganze Weile. Aber nun wieder weiter. Die Nacht wird lang. An der Rezeption hat die Schicht gewechselt. Auch hier wieder ein bekanntes Gesicht. (Hi Muri – I know you’re reading this! ;-) ) Ein kurzer Plausch und dann raus in die Nacht.
Mit der Metro bis Alma Marceau. Hier noch direkt am Metro-Ausgang selbst die erste Langzeitbelichtung. Natürlich nicht ohne für einiges Staunen zu sorgen, wie kunstvoll ich doch mein Stativ auf der Treppe mit Blick nach oben aufstelle. Aber die Pariser sind freundlich und geduldig in diesem Moment und rennen mir nicht durch’s Bild. Merci beaucoup. Foto fertig – der Schwung kann durch. Nun noch 2-3 weitere Aufnahmen und dann weiter. Von hier habe ich dann auch meinen ersten Blick auf den beleuchteten Eiffelturm dieser Reise. Immer wieder wunderschön. An diesem Bild kann man sich einfach nicht satt sehen. Ich mache ein paar Aufnahmen und probiere noch ein paar experimentelle Dinge aus, die dann auch wirklich ein grandioses Ergebnis liefern.
[Leider gestaltet sich das mit der Erlaubnis von der SETE etwas schwieriger, als erwartet und so muss ich die Aufnahmen später nachreichen, wenn ich endlich deren Erlaubnis habe, den beleuchteten Eiffelturm hier zeigen zu dürfen. Auf eine Abmahnung wegen deren Copyright am beleuchteten Eiffelturm habe ich nämlich keine Lust. Kunst ist eben nicht so einfach ;-) ]
Kurz vor der Passerelle Debilly sehe ich, dass auf der Brücke gerade geshootet wird. Ein Model in einem riesigen roten Plüschherz. Als ich dann dort ankomme, sind sie gerade fertig und ziehen weiter. Auf der Brücke treffe ich auf eine junge Engländerin, die ebenfalls allein unterwegs ist. Ich helfe ihr bei einem Foto vom Eiffelturm und wir kommen noch ein wenig mehr ins Gespräch. Sie ist zum ersten mal in Paris und ich erkläre ihr, dass sie hier noch ein wenig mit mir warten soll, weil es sich lohnen wird. Pünktlich 22 Uhr begann dann auch wieder das Funkeln. Wusste sie gar nicht und dementsprechend war sie begeistert. In der Zwischenzeit mache ich weiter meine Aufnahmen. Als ich fertig bin werde ich von einem Mann angesprochen, ob ich nicht auch noch schnell ein Foto von ihm und seinem Sohn machen könne. Natürlich. Kein Problem. Danach ziehe ich weiter über die Quai Branly.
Ziemlich mutig positioniere ich mein Stativ auf der Straße, immer in der Hoffnung eine größere Auto-Pause abzupassen. Die Lücken in den Baumwipfeln lassen einen anderen Standort nicht zu. Mein Blick ist die ganze Zeit nach Hinten gerichtet, um nicht doch überfahren zu werden. Bei jedem Schwung Autos also schnell das Stativ und mich mit 2 Schritten wieder an die Seite gestellt. Die Aktion dauerte dadurch natürlich ein wenig länger. Erst einmal die perfekte Position finden. Dann Autos. Danach dann Kamerawinkel einstellen. Wieder Autos. Belichtung anpassen. Autos. Erste Belichtungsversuche. 20 Sekunden. Dann wieder Autos. Bild checken. Und so weiter und so fort… bis ich ein paar verschiedene Motiveinstellungen hatte war dann auch schon wieder fast eine halbe Stunde rum.
Am Eiffelturm selbst positionierte ich mich strategisch günstig an der Kreuzung der Pont d’Iéna. Kurz nach mir kommen noch 2 andere Fotografen. Aber die müssen kurz warten, wenn sie mich nicht mit im Bild haben wollen. Tolles Bild im Kasten und ich drehe mich um 180° in Richtung Trocadero und das Palais de Chaillot. Hier stelle ich mich auch ganz ans Ende der Fußgängerinsel und das Stativ schon auf den Mittelstreifen. Die Lampen leuchten gerade in einem guten Winkel. Also auch hier noch einige Aufnahmen. Die Leute in ihren Autos die wegen der roten Ampel immer mal wieder neben mir halten, freuen sich doch irgendwie alle über das was ich da tue. Jedenfalls sehr unterhaltsame Momente.
Nachdem ich auch die Fotos alle geschossen habe, laufe ich wieder weiter in Richtung Alma Marceau. Nur eben auf der anderen Uferseite. Der Avenue de New York. Hier begegne ich auch Lativ – einem älteren Herrn aus Südafrika – und wir kommen eine ganze Weile ins Gespräch. Er war vor über 30 Jahren das letzte Mal in Paris. Es ist kurz vor 23 Uhr. Ich bereite in der Zwischenzeit meine Kamera für einige weitere Aufnahmen vor. Ein kleines Geburtstags-Dankeschön für Jemanden mit kleinem Gruß. Interessiert schaut er mir zu was ich da für Verrenkungen mache, weil ich das Grußkärtchen doch festhalten muss, da es vom aufkommenden Wind sonst weggeweht worden wäre. Gar nicht so einfach diese (sportliche) Art der Langzeitbelichtung ;-)
Wenig später beginnt der Eiffelturm erneut zu glitzern. Er ist total erstaunt darüber und freut sich sichtlich. Für die Verwandtschaft hält er dieses Spektakel in einem kleinen Video fest. Er erzählt mir dann noch, dass es das damals so wohl noch nicht gegeben hätte. Und hätte er nicht da noch mit mir gewartet, wäre es ihm wohl gar nicht aufgefallen, da er in Richtung Metro weiter wollte. Er ist nur diesen einen Tag in Paris. Quasi auf der Durchreise von einem längeren Flug. Wir unterhalten uns noch ein wenig mehr über Dieses und Jenes und dann verabschieden wir uns voneinander. Heute macht es doch tatsächlich Spaß mit dem Smalltalk auf englisch.
Ich mache noch einen kleinen Abstecher hoch zum Palais de Tokyo. Gucken was da so los sein wird die Tage. Und dann sehe ich am Club YoYo nebenan, wer da am 27.09. auftreten wird. AaRON. Ja da war doch was… genau! Die Band, von der ich die Konzertkarten für Heidelberg gewonnen hatte und deren Auftritt aber 1 Tag vorher abgesagt wurde. Glücklicherweise habe ich hier freies w-lan und ich gucke gleich nach Karten. Zu meiner Enttäuschung stelle ich dann doch fest: Ausverkauft. Was ein Pech aber auch. Das wäre der krönende Abschluss für die Reise gewesen. Aber es sollte einfach nicht sein.
Ein klein wenig enttäuscht nach dieser doch spontanen Entdeckung ging ich zur Metrostation Iéna. Ab zum Hotel. Meine Füße tun sowieso schon weh, von der vielen Lauferei. Im Hotel unterhalte ich mich noch ein wenig mit Muri. Ist eh gerade recht ruhig. Und dann irgendwann ab auf’s Zimmer. War ein langer und aufregender Tag. Ich sichte noch die Fotos vom heutigen Tag. Schreibe ein wenig Tagebuch, lade alle Akkus und dann fallen auch mir irgendwann müde die Augen zu…

personal: Ist doch alles super!

Wirklich? Oder nur oberflächlich und von Außen betrachtet?

Ich habe jetzt länger mit mir gerungen, ob ich das wirklich veröffentlichen soll, aber ich bin es leid Angst davor zu haben, was andere wohl darüber denken könnten. Schließlich zeige ich hier meine Schwächen – und wer macht das schon gern. Aber auch das gehört meiner Meinung nach dazu, wenn man etwas bewegen will.
Wo Licht ist, ist eben auch immer Schatten! Das wird nur all zu gern vergessen, wenn ich von positiven Dingen in meinem Leben berichte.

Um bei diesem Bild oben zu bleiben… es verdeutlicht mein Innenleben ganz gut.

Ein kaputtes Haus mit hübschem Ausblick. Du stehst Barfuß in diesem kühlen dunklen Gang und willst zum Fenster, um mehr zu entdecken. Raus aus der Dunkelheit – hin zum Licht. Nur musst du dazu vorher über all die Scherben und anderen Gefahren steigen. Immer in der Hoffnung, dich selbst nicht zu verletzen oder das in diesem maroden Haus nicht doch auf einmal die Decke herunter stürzt und dich unter all dieser Last begräbt.

Durch diverse Ereignisse in meiner Vergangenheit ist dieses Haus in dem ich stehe immer mehr zerbröckelt und auch in gewisser Weise vergessen worden. Es hat niemanden gekümmert und auch ich selbst hatte irgendwann nicht mehr die Kraft dazu, den ’schönen Schein‘ zu wahren. Ich lebte nur noch von Tag zu Tag. Kein Gedanke an Morgen. Hauptsache das Heute überstehen.
Dieser katastrophale Zustand ist 11 Monate her und begann schon etliche Jahre zuvor.
Mittlerweile bin ich dem Fenster ein ganzes Stück näher gekommen. Ich kann immer mehr erkennen. Blatt für Blatt. Kleinigkeiten. Aber ich bin noch nicht so nah, dass ich gar aus diesem Fenster hinausklettern könnte. Ob das überhaupt jemals möglich sein wird… – ich weiß es nicht.
Da ist schließlich der Autismus, der mich wie durch eine unsichtbare Barriere von dieser Welt da draußen trennt.
Ich weiß das ich niemals richtig dazu gehören werde. Aber das hält mich nicht davon ab, mir wenigstens meinen kleinen Teil so angenehm und erlebnisreich wie möglich zu machen. Das lässt all die autismusbedingten Kratzer und Wunden deutlich einfacher ertragen.

Um nun etwas konkreter zu werden, was meine letzten Wochen betrifft und der Ein oder Andere vielleicht auf Twitter oder Facebook mitverfolgt hat…
Es ist natürlich so, dass unglaublich viele positive Dinge geschehen sind.
Paris, die Konzerte und all das was ich fotografisch festhalten durfte… die Kontakte und Möglichkeiten die sich wiederrum daraus ergeben haben – ist ja vieles nachzulesen…
Doch das Alles ist mir nicht von allein zugeflogen, wie man vielleicht annehmen könnte. Für vieles habe ich schon Wochen und Monate im Voraus etwas getan, dass es mir dann letztendlich ermöglicht hat, dass ich das dann nun auch so tun konnte. Für andere Dinge wiederrum erforderte es Mut und auch ein wenig Glück, dass sie so extrem kurzfristig geklappt haben.
Tatsache ist aber, dass ich aktiv und hart arbeitend etwas dafür getan habe! Nichts davon wurde mir aus reiner Herzensgüte geschenkt oder weil ich mich in irgendeiner fucking privilegierten Position befinden würde.
Ich bin niemand mehr der sich im Selbstmitleid verkriecht und jammert, wie schlimm doch alles ist. Ich bin deutlich selbstbewusster geworden und gehe meinen Wünschen und Träumen nun endlich wieder nach.

Das allerdings hat auch zur Folge, dass ich die Schattenseiten mit in Kauf nehmen muss.
Es waren unglaubliche viele Eindrücke, die ich da in den letzten Wochen erlebt habe. Als Autistin prasseln ungefiltert deutlich mehr Reize auf mich ein, als es bei Nicht-Autisten der Fall ist. Das Alles will und muss verarbeitet werden. Dadurch dass ich so viel zu tun hatte, schob es sich immer mehr auf. Als ich nun ein paar Tage Ruhe hatte, brach das Alles über mich herein. Auch das so viel Positives geschehen war – Eines das Andere toppte. Irgendwann musste auch da Schluss sein.
Wo bin ich also nun? Ich bin ‚in ein Loch gefallen‘. Emotional überwältigt könnte man sagen. Erschöpft vom (positiven) Stress. Aber Realist wie ich bin, habe ich das kommen sehen. Nur nicht, dass es nun doch so plötzlich da war, dieses Tief.
Hinzu kommt der Schlafmangel, den ich in den letzten Wochen angesammelt hab. Pro Nacht kaum mehr als 3 Stunden Schlaf. Sicher, früher war das auch nicht viel anders, aber ich bin eben auch keine 20 mehr ;-)
Ich muss nun in Zukunft also weiter daran arbeiten ein Gleichgewicht zwischen Stress und Ruhe im Allgemeinen zu finden. In Paris selbst zum Beispiel gelang mir dieses Gleichgewicht ganz gut, aber daheim sind die Routinen doch (noch) zu eingespielt und müssen neu angepasst werden. Manchmal fällt mir das in komplett anderer Umgebung (Paris) eben leichter.
Aber ich bin sicher, dass mir das in der nächsten Zeit gelingen wird. Was ich aber auch merke ist, dass durch den ganzen Stress wiederrum andere wichtige Routinen gelitten haben und ich denen nicht wie gewohnt nachgehen konnte. Dieses Ungleichgewicht spüre ich nun.
Auch mein Körper sendet jetzt mittlerweile Signale, dass es zu viel war.
Aber auch das ist ein gutes Zeichen. – Ich nehme diese Grenze wahr. Ich akzeptiere sie. Ein andern mal kann ich dann weiter an dieser Grenze arbeiten, um sie noch ein klein wenig weiter nach Außen zu verschieben. Nur das ist nicht heute oder morgen. – Gewiss auch nicht kommende Woche. Nun stehen Regeneration und Analyse der aktuellen Situation ganz oben.
Dieses ‚Loch‘ will ersteinmal überwunden werden. Was mir sicher dabei helfen wird, sind die vielen Eindrücke und Erinnerungen aus den letzten Wochen. Waren doch wirklich fantastische Momente dabei. Und allein die sind es alle mal wert, auch solche Rückschläge und Tiefs in Kauf zu nehmen.
Für mich ist dass das eigentliche Leben.
Dieses Auf und Ab. Genießen und gefordert werden.
Ohne dieses Input, all diese bereisten Orte, Begegnungen, Erlebnisse, erfüllten Wünsche… das war es schließlich auch, was mir all die Jahre gefehlt und mich immer unglücklicher gemacht hatte.

Nun an diesem Wochenende waren meine Großeltern väterlicherseits auch zu Besuch. Genau… der Großvater mit dem Schach ;-)
Natürlich nutzte ich die Gelegenheit für einige Partien. Da mein Bruder mit da war, bat ich um etwas ganz Verrücktes: Eine Partie gegen Beide gleichzeitig.
Ich wusste von vornherein, dass ich keine Chance haben werde, wenn ich gleichzeitig spiele, aber darum ging es ja auch gar nicht. Ich wollte sehen, wo ich stehe.
Wenn ich das Spiel dann also wieder ‚ummünze‘ auf mein Leben, dann sehe ich insgesamt in der Konzentrationsfähigkeit erneut deutliche Fortschritte. Auch was das Vorrausdenken der Züge betrifft. Im Einzelspiel gelang mir alles noch besser – aber es war auch sehr interessant zu merken, wie sehr ich von meinem Fokus abhängig bin. Auf 2 Schachpartien so anspruchsvoll zu reagieren… momentan (noch) nicht möglich. Ich verlor beide Partien zusammen deutlich schneller, als eine Einzelne.
Aber das soll nicht das letzte Mal gewesen sein. Ich will besser werden.
Mein Bruder versuchte sich übrigens auch in einer Doppel-Partie gegen Großvater und mich. Was mich erstaunte, er berichtete genau das Gleiche. Das es nocheinmal deutlich anspruchsvoller ist, sich auf 2 Partien gleichzeitig zu konzentrieren. Ihr erinnert euch – er verlor noch nie ein Spiel und auch damals im Schachclub gewann er spielend gegen alle… Großvater und ich sind also doch ein härterer Brocken und er hatte sichtbar ziemliche Schwierigkeiten und leistete sich einige Schnitzer. Interessant diese Analyse, die man durch Schach erhält. Welche mentale Leistungsfähigkeit man tatsächlich hat. Ich erlebte aber auch, was es heißen kann, wenn die Leistungsfähigkeit (durch Müdigkeit) abnimmt. In einer weiteren hart umkämpften Partie verlor doch dann tatsächlich mein Bruder gegen meinen Großvater. Ein historischer Moment ;-)

Rational wie ich eben bin, mache ich mir keine Illusionen darüber, dass alles super ist. Auch wenn es von Außen so aussehen mag. Es ist jede Menge Arbeit und auch weiterhin ein arbeiten an mir selbst. Für mehr Stabilität. Ich bin auf einem guten Weg, kenne meine aktuellen Grenzen und akzeptiere wo ich im Moment stehe.
Jedenfalls bin ich auch sehr dankbar für die letzten Wochen und stolz auf das, was ich da eigentlich alles geschaffen und erreicht habe.

Alles andere ist ein gewisses Feintuning der bisherigen Routinen und auch die ein oder andere Kompletterneuerung. Ich bin schließlich nicht mehr der Mensch, der ich noch vor 11 Monaten war.

Es reicht eben nicht, nur 1 oder 2 Aspekte in seinem Leben zu ändern. Alles muss neu angepasst werden. Ansonsten reißt es dich nur in die Vergangenheit zurück.

Und das ist eben genau das, was ich nicht mehr will.

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Anmerkung zum Foto oben, weil mehrfach gefragt wurde: Aufgenommen wurde es in einer ehemaligen Tuberkulose Klinik irgendwo in Deutschland. ;-)

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personal: Schach als Indikator für das mentale Befinden

(Lesezeit circa 5 Minuten) – Triggerwarnung: Depression

Schach: 1 König. 1 Dame. 2 Türme. 2 Springer. 2 Läufer. 8 Bauern. Je für Hell und Dunkel. 64 Felder auf dem Brett. 2 Spieler. Unzählige Möglichkeiten.

Zunächst etwas zurück in der Zeit…
Schach habe ich als kleines Mädchen von meinem Großvater beigebracht bekommen. Von Anfang an war ich fasziniert von der Logik, Einfachheit aber dennoch insgesamten Komplexität dieses Spiels. Ich begriff schnell. So kam es dann also immer zu mehreren Schachpartien am Tag, wenn ich zu Besuch war. Mein Opa besitzt dieses Schachspiel aus Holz, auf dem ich spielen lernte, noch heute. Die Haptik und auch der Geruch den das Brett und die Figuren über die Jahre angenommen haben… Kindheitserinnerungen an die vielen gemeinsamen Stunden.

Nun aber zu dem, weshalb ich diesen Artikel hier eigentlich schreibe: Meine Beobachtungen der letzten Jahre an mir selbst und wie ich während dieser Zeit Schach spielte. Oder besser gesagt – kläglich scheiterte, vernünftige Partien zu spielen.
Rückblickend weiß ich nun, warum meine Spielweise in dieser Zeit grottenschlecht war.
Was war geschehen?
Ich landete in einer Beziehung und später auch Ehe, die mir so im Nachhinein betrachtet, absolut nicht gut taten. – Das Schlimme an der Depression und solchen Beziehungen ist ja, dass du es zu spät mitbekommst, was da eigentlich passiert. Du denkst du bist glücklich und zufrieden – ein Trugbild deiner Ängste und Sorgen, die dich zu Beginn gekonnt täuschen. Die Zweifel kommen erst langsam nach und nach. Dann willst du es nicht wahr haben. Und schon steckst du drin in diesem Teufelskreis.

Frühjahr 2013… Ich hatte eine PTBS ausgelöst durch das traumatische Geburtserlebnis – entwickelte zu allem Überfluss 3 Monate nach der Geburt meiner Tochter zusätzlich noch eine schwere Wochenbettdepression mit Zwangsgedanken. Dazu unfähige Ärzte und Pfleger, die die Situation nicht ernst nahmen, obwohl ich akut um Hilfe bat! Krasser Fall von unterlassener Hilfeleistung, wenn man es streng nimmt. Dazwischen dann noch die Autismus-Diagnostik an der UK Freiburg, als meine Tochter gerade mal 8 Wochen alt war. Sowie die da bereits kriselnde Ehe…
Ich merkte, dass ich kognitiv mittlerweile nicht mehr zu meinen gewohnten Leistungen in der Lage war. Kämpfte ich doch aktiv in und mit mir selbst, um zunächst einmal die Zwangsgedanken zu besiegen. Es war ein täglicher Kampf: David gegen Goliath. Ich habe ihn gewonnen. Hier begann sich dann meine starke Resilienz bemerkbar zu machen. Ohne jegliche Hilfe von Außen kämpfte ich mich noch durch die ärztlich unbehandelte Wochenbettdepression und auch das traumatische Geburtserlebnis bewältigte und verarbeitete ich allein. Aber das nahm alles Zeit in Anspruch. Ich musste mich schließlich noch um mein ‚weiteres Leben‘ kümmern. Baby, Haushalt, Ehemann und natürlich noch die frische Autismus-Diagnose, die das alles nicht gerade einfacher machte.
In dieser Zeit lernte ich viel über mich selbst und meine (kognitiven) Fähigkeiten.
Eben weil sie auf einmal nicht mehr da waren.
So richtig bewusst wurde mir das, als ich irgendwann in diesem ganzen emotionalen Chaos, bei einer Partie Schach gegen meinen Großvater, nach nicht einmal 30 Minuten verlor. Ich war schockiert. Das war nicht ich. Ich wollte eine Revanche. Das gleiche Trauerspiel. Ich war unfähig auch nur 3 Züge im Vorraus zu planen. – Eigentlich sind 6-7 Züge für jeweils 3 oder 4 Gegnervarianten normal bei mir.
Hier noch nicht einmal 3 meiner Eigenen…
Ich starrte auf das Schachbrett und sah nur Leere. Klar, da standen zwar Figuren auf dem Brett, doch irgendwie hatten sie keinerlei Bedeutung mehr für mich.
Dieses katastrophale Schach-Erlebnis öffnete mir die Augen. Das war Frühjahr 2015.
Ab diesem Zeitpunkt begann ich mich noch mehr mit mir selbst auseinander zu setzen.
Was will ich? Was kann ich? Was muss ich tun? Wer oder was hindert mich alles daran, meine Ziele zu erreichen? Was tut mir gut? Wer oder was nicht?
Ich veränderte mich, was letztendlich dazu führte, dass ich schlechte Entscheidungen des Mitmenschen nicht mehr einfach schweigend hinnahm. Leider konnte er damit nicht umgehen und so blieb mir eines Tages nur noch die Möglichkeit, die Polizei zu rufen und Anzeige wegen Körperverletzung zu erstatten. Bis hierher und nicht weiter! Ende.

Anfang September 2015 gab es wieder einige Partien gegen meinen Großvater. Leider auch hier noch immer schneller Verlust und Matt. Ich hatte nicht so recht Spaß am Spiel. Aber wer sollte es mir verübeln, nachdem was kurz zuvor geschehen war? Immerhin war die Leere verschwunden. Ein Fortschritt und ich interessierte mich für das Match, dass mein jüngerer Bruder gegen meinen Großvater spielte. Ich versuchte begleitend für mich zu analysieren. Das von Außen Betrachten fiel mir in diesem Moment immerhin leichter. Auch ein Fortschritt. Ich begann mich an eigene Logik-Denkweisen zu erinnern. Ließ mir im Nachhinein ein paar Züge von meinem Bruder erklären. Warum dieses oder jenes in der jeweiligen Situation. Analyse. Nicht nur das Spiel. Auch mich selbst. Akzeptieren. Verstehen. Lernen.

Frühjahr 2016… es war wieder Zeit für einen Besuch. Dieses Mal freute ich mich auf die Partien. Klarer Fortschritt. Die Runden dauerten deutlich länger. Meine Konzentrationsfähigkeit und Denkleistung waren wieder merklich ausgeprägter und schneller. Noch nicht auf Optimum, aber auf einem sehr guten Weg.
Ein Matt stand dann am Ende auch auf meinem Konto.
Danach wagte ich endlich mal wieder eine Runde gegen meinen Bruder. Man muss dazu sagen, dass mein 5 Jahre jüngerer Bruder in einer ganz anderen Dimension Schach spielt. Er ist mal (mehr oder weniger) aus einem Schachclub geflogen, weil er zu gut war. Er schlug alle Mitglieder mit Leichtigkeit und auch die Trainer hatten keine Chance. Irgendwann hatte niemand mehr Lust gegen ihn zu spielen… Ich weiß gar nicht, ob ihn überhaupt mal jemand in den letzten Jahren Matt gesetzt hat. Ich glaube nicht.
Na jedenfalls… ich schaffte einen Patt gegen ihn. Ein Remis. Nichts Rühmliches, aber immerhin nicht auf voller Linie verloren. Im Gegenteil, laut seiner Aussage machte ich ihm das Leben ein paar mal sehr schwer mit meinen Zügen. – Das ist ein ziemliches Kompliment, wenn man ihn im Schach ins gedankliche ‚Schleudern‘ bringt. Ich bin also auf einem guten Weg zu den alten Höchstleistungen.

September 2016…
Mein Leben verläuft seit dem Frühjahr von Monat zu Monat immer besser. Die Arbeit zahlt sich aus. Der August war mein persönliches Highlight bis jetzt. Dinge haben sich ergeben, an die habe ich vorher kaum zu denken oder gar zu hoffen gewagt. Und doch sind sie geschehen – das alles nur, weil ich die Initiative ergriff und mutige Züge wagte.
Mittlerweile habe ich mit fähigen Ärzten und Therapeuten hier in Heidelberg detailliert über meinen steinigen Weg sprechen können. Ich bekam einstimmig erklärt, dass es eine erstaunliche Leistung von mir war, das Alles allein bewältigt zu haben, während die Umstände alles andere als optimal waren.

Und nun…? Seit wenigen Tagen habe ich wieder so richtig Lust auf Schach. Ein verdammt gutes Zeichen ist das. Mal sehen, ob mein Bruder demnächst Zeit für eine Partie hat.

Das Spiel der Könige war nun zwar nicht mein Retter in der Not, doch hat es geholfen mir bewusst zu werden, was die aktuelle Situation war.
Eine Art Anker, der mich zurück in die tatsächliche Realität riss.
Raus aus dem, was mir andere weismachen wollten.
So im Nachhinein hätte es mir eigentlich damals schon zu denken geben müssen, dass ich den Mitmenschen nach nur wenigen Minuten Matt setzte. Oft hatten wir nicht gespielt – er war chancenlos gegen mich. Doch im ‚richtigen‘ Leben? Ich bin auf jemanden hereingefallen, der gut blenden und Menschen belabern beeinflussen kann.

Beim Schach jedoch fällt dieses Theater alles weg. Es gibt nichts zu blenden. Es gibt nur das was ist. Tatsachen. Das Brett und die Figuren. Ein Plan der sich von Zug zu Zug verändert, neu analysiert und angepasst werden muss. Keine Hilfsmittel. Da bleibt keine Zeit für Spielchen.

Jetzt nach all dieser Analyse finde ich, ist Schach ein ausgezeichnetes Spiel, um jemanden ‚tatsächlich‘ kennenzulernen. Ich werde mich bei der nächsten Partnerwahl wohl auch etwas mehr darauf stützen. Nun bin ich deutlich sensibler, was die Einschätzung eines Menschen angeht. Ein solch fataler Fehler wird mir gewiss nicht mehr passieren.
Das Spiel hat einfache und klare Regeln und ist daher auch für Jeden gut zu lernen – Ausreden man(n) könne kein Schach, lasse ich also nicht gelten.
Zum Einen lernt man viel über die Denkweise seines Gegenübers und zum Anderen können sich während des Spiels auch interessante Gespräche nebenher ergeben. Ich spiele schließlich kein Turnier-Schach, sondern lediglich zum Zeitvertreib. Ein tiefgründiges Gespräch während einer guten Partie finde ich durchaus reizvoll.
Schach wird also in Zukunft mit darüber entscheiden, ob jemand Chancen bei mir hat oder eben nicht. – Na wenn das mal nicht kultiviert ist ;-)

Ich werde auf jeden Fall wieder regelmäßiger spielen. Ich habe wieder Spaß daran und als positiven Nebeneffekt gleich dazu ein Kontroll- bzw. Warnsystem.

Vielleicht hat dieser doch sehr persönliche Einblick jemanden eine Idee gegeben, wie er eventuell sein eigenes Leben besser meistern kann.
Manchmal muss man in der Wahl der Hilfsmittel eben kreativ sein.

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Note: Das Schach-Set oben im Header habe ich im Louvre fotografiert.
Es ist das „Saint Louis“, stammt aus dem 15. Jahrhundert und wurde aus Kristall, Quarz und vergoldetem Silber hergestellt. >Hier< geht es zur genauen Beschreibung auf der Louvre-Website (englisch).

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