Paris 2.0 – Tag 1

25.09.2016

(zur Erinnerung… kursiv Geschriebenes, sind Gedanken in diesen Momenten)

Nach einer ziemlich kurzen Nacht schnappte ich mir dann also in aller Frühe meinen deutlich zu schwer geratenen Trekkingrucksack (15kg!) und ging zur Straßenbahnhaltestelle. Sonntags zu dieser Uhrzeit war dementsprechend nichts los und ich konnte die Ruhe genießen. Vorbereitet wie ich war (da die Straßenbahn Sonntags nur stündlich fährt) kam ich natürlich zu früh dort an. Aber lieber so, als anders herum. Die 15 Minuten die ich noch warten musste, vergingen dank mp3-Player (ja ich hab noch so einen Altmodischen mit Batterie – die bekommt man immerhin überall auf der Welt zu kaufen. Das ‚leerer-Akku-Problem‘ habe ich also nicht) recht flott. Und weil die Straßenbahnlinie nicht direkt am Heidelberger Hbf vorbei kommt, lief ich dann also die paar Hundert Meter und ärgerte mich schon hier, dass der Rucksack so schwer geworden war. Nun gut – so war ich wenigstens für alle Eventualitäten vorbereitet. ;-)

Pünktlich 07:48 Uhr ging es mit der Regionalbahn und einem schönen Sonnenaufgang, an diversen Nebelfeldern vorbei, in Richtung Karlsruhe. Kurz 3-4 Sätze mit den Anderen im Abteil über das gröhlende ‚Oktoberfest-Volk‘ amüsiert, dass glücklicherweise in Heidelberg ausstieg und dann machte jeder sein Ding bis Karlsruhe. Hier hatte ich dann noch eine knappe Stunde Aufenthalt, bis mein TGV aus Stuttgart eintreffen sollte.
Ich nahm dann also im kühlen Bahnhof auf einer der Bänke platz. Nach einer weiteren Regionalbahn, die am Gleis hielt füllte sich doch zunehmend der Wartebereich für den TGV. Ausgestiegen war auch ein junger Typ, der dann begann wahllos und unverständlich um sich zu brüllen. „Hallo… Haaaallooooooo… eine Schei**e ist das hier… Haallooooooo“… der junge Kerl auf der anderen Bank neben mir schaute mich auch nur ratlos an und dann lauschten wir beide doch wieder unserer Musik. Nach vielleicht 10 Minuten begann der Typ dann wieder herumzubrüllen… Ich wand mich ihm dann doch zu und fragte, ob man ihm irgendwie helfen könne. Er meinte dann, dass er blind sei und ihn niemand von der Bahn hier abholen würde. So auf diese Art und Weise hier wahllos rumzubrüllen und zu fluchen, bringt dir aber auch nicht die gewünschte Hilfe… Jedenfalls fragte ich dann, wo er hin wolle… Stuttgart… gut. Als ich aufstehen und zum Abfahrplan laufen wollte, gab sich die Frau mir gegenüber aber als Bahnmitarbeiterin zu erkennen (war in Zivil) und nahm sich des Herrn an. War das also gelöst. Abhaken. Toll… fängt ja schonmal aufregend an hier.
Danach sollte ich dann mit dem jungen Kerl von der anderen Bank ins Gespräch kommen. – Noch ca. 20 Minuten bis mein TGV einrollt… Er sah mich etwas länger an und nahm dann seine Kopfhörer von den Ohren…
Er: „Do you speak english?“ Na super… Smalltalk direkt auf english. Also gleich das volle Programm. „I’ll try… but it’s not good.“ Daraufhin begann er zu lachen und meinte nur (auf english), dass das irgendwie alle Deutschen sagen würden… na immerhin hatten wir was zu lachen ;-)
Ich erfuhr, dass er aus Albanien kommt und hier für 1 Jahr arbeitet. Was sich dann auch sehr schnell zeigte war, dass ich mit der Einschätzung seines Alters doch sehr weit daneben lag. Weil ich es nicht glauben konnte, präsentierte er mir dann doch seinen albanischen Ausweis haha… doch erst 20… und ich tippte auf Ende 20 – ups. Das er mich hingegen auf 25 geschätzt hatte… nettes Kompliment, aber als Frau weißt du ja sowieso nie so recht, ob sie nicht absichtlich tief ansetzen ;-)
Im Laufe des Gesprächs fragte er mich, ob ich nach Paris zur Fashion-Week wolle (der TGV nach Paris erschien mittlerweile auf der Anzeige). Mein Outfit würde doch irgendwie danach aussehen. Haha… ich weiß jetzt nicht, ob das ein Kompliment war oder doch was anderes… immerhin war ich doch recht eigenwillig in der Zusammenstellung meines heutigen Outfits ;-)
Wir unterhielten uns dann noch über alles Mögliche und ich konnte ihn einige Dinge über Albaniens Kultur und Land & Leute fragen – ich gab ihm im Gegenzug noch ein paar Tipps, was er sich hier in der Gegend unbedingt ansehen solle… Alles in allem ganz unterhaltsam und die Zeit verstrich ziemlich schnell. War also nicht so tragisch, dass keiner meiner Twitter-Follower Zeit für ein kurzes Treffen hatte.

Dann kam auch schon seine Bahn und nur kurze Zeit später fuhr mit 5 Minuten Verspätung 09:37 Uhr auch mein TGV ein. Ich hatte zunächst ein wenig Sorge, ob ich nicht im komplett falschen Gleisbereich stehe, denn laut Wagenstandsanzeiger gab es gar keinen Wagen 8, so wie es aber auf meiner Reservierung stand… nur Wagen 16… auf gut Glück stellte ich mich dann einfach da hin. Und lag mit meiner Einschätzung doch fast richtig. Zu meiner Verwunderung war ich doch recht entspannt in der Hinsicht, schon meinen Platz im Zug zu finden, obwohl der Wagon nicht ausgewiesen war. Ein klarer Fortschritt zu letztem Jahr… da war ich doch deutlich nervöser, als da die Sache mit dem Zug ebenfalls unübersichtlich verlief.
Dieses mal fand ich dann auch meinen Platz ziemlich schnell. Leider bekam ich durch die kurzfristige Buchung nur noch in der unteren Etage einen Platz. Vierer-Sitz mit Tisch in der Mitte, ganz am Ende des Wagens. Mit auf meinem Sitz lag quer ein kleiner Junge, der gerade schlief. Einmal wecken bitte. Die Familie die mit mir dort ihre 3 Plätze hatte, war ganz nett. Nur wenige Worte auf english (haha – was sonst) zur Begrüßung und dann sprachen sie untereinander wieder eine dieser arabischen Sprachen. Kenne mich da leider nicht aus und nachgefragt hatte ich auch nicht. Ich war ganz froh, während der Zugfahrt dieses mal keinen Smalltalk halten zu müssen.

Bei strahlendem Sonnenschein fuhren wir also in Richtung Frankreich. Mit noch immer leichter Verspätung kamen wir 10:20 Uhr in Strasbourg an. Hier bemerkte ich schon deutliche Veränderungen zum Vorjahr. Wesentlich mehr bewaffnetes Militär an jedem Gleis, staatliche Polizei, Bahnhofsschutzpolizei und auch zusätzlich noch Sicherheitspersonal. Ist doch noch immer Ausnahmezustand aufgrund der ganzen vergangenen Anschläge. Hier sah ich es zum ersten mal mit eigenen Augen und es rief mir die Bilder vom November des letzten Jahres ziemlich schnell vor Augen. Aber nicht weiter dran denken… wird schon alles gut gehen.
Insgesamt merkte ich aber, dass ich seit ich im TGV saß, deutlich entspannter war. Der Zug fährt schließlich bis Paris. Ich werde also definitiv ankommen. Auch heute hielten wir kurz vor Strasbourg außerplanmäßig, aber das machte mir dieses mal gar nichts aus und ich blieb vollkommen unbeeindruckt. Kein Vergleich zum letzten Jahr. Schöne Entwicklung.
Wenig später rollte der TGV 9576 (übrigens exakt der Gleiche wie 1 Jahr zuvor) weiter und nahm bereits kurz hinter Strasbourg ordentlich Fahrt auf (hier bereits 296 km/h). Gab es doch eine erfreuliche Neuerung. Die Fahrzeit mit dem TGV verkürzte sich um eine halbe Stunde zum Vorjahr. Also dauerhaft ordentlich Gas geben bis Paris auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke.
Dieses Jahr kam noch dazu, dass mein Sitzplatz Rückwärts zur Fahrtrichtung war. Das war in der ersten Minuten der ganzen Beschleunigung ein doch recht ungewohntes Gefühl, legte sich dann aber rasch. Was mich aber auch in diesem Jahr immer wieder erschreckt hatte, waren die Momente in denen wir mit 320 km/h an einem uns entgegenkommenden TGV (der vermutlich genauso schnell unterwegs war) vorbei donnerten. Donnern ist hier wirklich ein passendes Wort, denn der erste ‚Knall‘ ist doch recht laut und der seitliche (kurze) Druck an der Scheibe ebenfalls etwas unangenehm. Aber das alles dauert vielleicht nur 2-3 Sekunden. Kommt nur eben ohne Vorwarnung.
Auch wenn ich heute landschaftlich von der unteren Etage aus leider nicht so viel schauen konnte, bemerkte ich aber doch, dass je näher wir Paris kamen, der Himmel sich zunehmend verdunkelte. Super. Stand so mal überhaupt nicht im Wetterbericht. Kann ich nicht gebrauchen, auch wenn ich drauf vorbereitet bin. Doch leider begann es, als wir die ersten Vororte erreichten doch heftig zu regnen und hielt bis Paris an.
Als wir pünktlich 12:05 Uhr am Gare de l’Est ankamen stülpte ich meinem Rucksack gleich die eingebaute Regenschutzhülle über. Was dann aber (zum Glück) völlig unnötig war, da es nur noch vereinzelte Tröpfchen nieselte, als ich den Vorplatz des Bahnhof betrat.
Was mich hier stattdessen erwartete war ein ziemliches Hupkonzert und jede Menge Polizei. Sowie Absperrungen und Autos die aus dem Zentrum kamen, aber nicht hinein durften.
Ich twitterte gleich, was hier los war und bekam doch zum Glück auch schnell einige Antworten. Natürlich. Autofreier Sonntag. Zum zweiten Mal. – War letztes Jahr doch genau das Gleiche – wie ich das nur vergessen konnte. Also nichts passiert. Kein Anschlag oder ähnliches. Erleichterung!

Mit Sack und Pack machte ich mich auf in Richtung ‚Le Marais‘. Einfach nur dem BD de Strasbourg folgen und irgendwann links in eine der Straßen abbiegen. Bei Tage sieht das Viertel ganz anders aus als Abends. Schon sehr faszinierend. Durch den Autofreien Sonntag sogar noch deutlich verlassener. Der feuchte Boden tat sein Übriges dazu. Eine ganz besondere Stimmung. Ein paar Fotos hier… ein paar Fotos da. Im Viertel gab es einiges an neuer Streetart zu entdecken. Der Blick weiter nach oben an den Wänden lohnt sich also. Ich laufe durch diverse Gassen weiter bis zum Place des Vosges. Ein schöner Park. Perfekt um mal ein wenig durchzuschnaufen. Danach geht’s weiter über die Rue St. Antoine und mache noch eine kleine Foto-Visite in der St.Paul-St.Louis Kirche. Kann ich jedem nur empfehlen. Tolle Architektur!
Weiter vorbei an verschiedenen Modeboutiquen und hier hatte ich dann auch meinen ersten intensiveren Blickkontakt (viele von euch wissen ja, dass ich damit keine Probleme mehr habe), mit einem Herrn der dort in einem Eingang stand. Wer als Frau schonmal allein in Paris unterwegs war, der weiß sicher was ich meine. Heißt nicht umsonst ‚Stadt der Liebe‘. Jedenfalls nahm ich das dann auch direkt als Anlass, genau das zu genießen und mitzuspielen. Nach der Trennung tut’s schließlich auch einfach mal gut, Männer noch immer mit nur einem Blick dazu bringen zu können, dass sie auch nicht mehr wegsehen wollen! ;-)
Nun aber weiter zum Maison Européenne de la Photographie, aber da ich ja noch den ganzen Kram mit mir herumschleppe, gehe ich noch nicht rein. Nehme allerdings begeistert zur Kenntnis, welche Fotografen zu sehen sind. Steht also auf der Liste. Vor mir noch 2 Herren mit ihren Hunden… click – Foto. Lustige Szene.
Hier in diesem Moment entscheide ich mich dann auch dazu, es beim Hotel vom letzten Jahr einfach nochmal zu probieren. Die Leute waren schließlich sehr nett. Also ab in die Metro. Am Hotel angekommen gleich ein bekanntes Gesicht und ich werde sogar wiedererkannt. Perfekt. Zimmer ist auch noch frei. Für mich wird sogar noch ein wenig die geplante Belegung umsortiert und ich bekomme ein Zimmer, neben dem vom letzten Jahr. Supi. Preislich bekomme ich auch wieder einen kleinen Nachlass. Ein freundliches Lächeln und kurzer Smalltalk zeigen Wirkung.
Also hoch auf’s Zimmer. Endlich den schweren Rucksack ablegen und feststellen, dass sie renoviert haben. Schick geworden und mein Bad ist größer, als im letzten Jahr ;-)
Ich gönne mir eine halbe Stunde Ruhe, packe meine Umhängetasche neu und dann geht’s mit der Metro zur Pont Neuf, um ein wenig an der Seine entlang zu schlendern. Es gibt einiges an Kunst mit Umweltbezug zu sehen. Ein besonderer Publikumsmagnet ist eine ziemlich große Luftaufnahme von Paris, die auf der Straße angebracht ist. Ich nehme es im ersten Moment gar nicht richtig wahr und wundere mich, warum die Leute so nach unten schauen – bis ich selbst meinen Blick senke. Schöne Idee, diese Art der interaktiven Kunst.
Hier nehme ich mir auch noch einmal die Zeit und setze mich ans Ufer, genieße die Sonne und beobachte ein wenig die Menschen… Ziemlich flott war dann auch schon wieder eine halbe Stunde um. Weiter ging es dann oben an der Straße. Vorbei an den diversen Malern entlang des Louvre.
Am Tuileries steige ich wieder in die Metro. Ich will noch zum autofreien Champs-Élysées.
In der Metrostation habe ich auch meine Begegnung mit dem Herrn, der erst neben mir auf die Bahn wartete und dem ich dann im Wagen gegenüber saß. Wirklich unglaublich feine und elegante Kleidung. Grandioser Stil und eine Ausstrahlung, die etwas sehr faszinierendes hatte. Aus seinem Stoffbeutel ragt ein Schneiderlineal hervor, dass mich dann endgültig überzeugt hat, dass er Modedesigner sein muss. Hm, bei dem verdammt teuer aussehenden Schmuck, den er da am Handgelenk trägt, ist es wohl der ‚Meister‘ selbst. Aber da ich nunmal kein Paparazzo bin und auch keinen Wert auf diese Mentalität lege, habe ich ihn natürlich nicht gefragt, wer er ist oder gar offensichtlich irgendwelche Fotos gemacht. Lediglich eines, als ich die Kamera auf dem Schoß hatte. Wirklich wohl fühle ich mich aber auch dabei nicht… diese Art der heimlichen Fotografie ist einfach nicht mein Stil. Natürlich auch nur, um hinterher dann festzustellen, dass ich das Gesicht nicht komplett mit drauf habe. Ich hatte gehofft, hinterher mit Hilfe von google selbst herauszufinden wer das denn nun war.
– Mein Angebot steht daher noch – wer mir als Erstes sagen kann, welcher asiatisch aussehende Modedesigner das ist, darf sich eines der Fotos (die auch noch kommen werden) als Print aussuchen. Es lässt mir doch einfach keine Ruhe. ;-)
Am Arc de Triomphe angekommen ein nettes Bild entlang der Allee. Zwar Menschen ohne Ende, aber definitiv ein faszinierender Anblick so ganz ohne Autos. Aber auch hier bemerke ich ziemlich schnell einen heftigen Unterschied zum letzten Jahr. Deutlich mehr Militär und bewaffnete Polizei. Auch vor den einzelnen Geschäften selbst noch einmal Sicherheitspersonal und teilweise auch Metalldetektoren. Das gab es im vergangenen Jahr alles noch nicht. Jeder der auf die Champs-Élysées will, wird kontrolliert an einer der diversen Absperrungen. Aber alles läuft mit französischer Ruhe ab. Es ist einfach so und wird akzeptiert. Man möchte schließlich weiter das Leben genießen. Als Einschränkung empfinde ich das jedenfalls nicht. Im Gegenteil, es beruhigt.
Jedenfalls beschließe ich, mich nicht zu sehr an den vielen Menschen zu stören – ich habe ja auch damit gerechnet – also keine Überraschung. Ich folge also der Straße nun wieder in Richtung Place de la Concorde. Es herrscht schon fast eine Art Feststimmung auf der Straße. Es gibt viele Künstler, Tänzer und Musiker, um die sich immer wieder Menschentrauben bilden. Auch ich bleibe immer wieder stehen und schaue bzw. höre zu. Die Stimmung ist wirklich sehr locker. Kennt man von Deutschland nicht unbedingt. Einige picknicken auch mitten auf der Champs-Élysées. Witziger Anblick und ein Zeichen dafür, dass die Pariser das Leben weiterhin genießen.
Am Place de la Concorde dann angekommen entstand auch das Titelbild des heutigen Beitrages.
Eine wahnsinnig lange Zeltkonstruktion genau vor dem Garten, mit der Aufschrift ‚Paris sur Mode‘. Die Fashion-Week sollte schließlich bald losgehen.
Langsam begann auch die Dämmerung und ich fuhr noch einmal zum Hotel um mein Stativ für die Langzeitbelichtungen heute Nacht zu holen. Beim Umsteigen in der Metro kam ich auch an einem Streichorchester vorbei, das schon von weitem zu hören war. Auch hier lauschte ich noch eine ganze Weile. Aber nun wieder weiter. Die Nacht wird lang. An der Rezeption hat die Schicht gewechselt. Auch hier wieder ein bekanntes Gesicht. (Hi Muri – I know you’re reading this! ;-) ) Ein kurzer Plausch und dann raus in die Nacht.
Mit der Metro bis Alma Marceau. Hier noch direkt am Metro-Ausgang selbst die erste Langzeitbelichtung. Natürlich nicht ohne für einiges Staunen zu sorgen, wie kunstvoll ich doch mein Stativ auf der Treppe mit Blick nach oben aufstelle. Aber die Pariser sind freundlich und geduldig in diesem Moment und rennen mir nicht durch’s Bild. Merci beaucoup. Foto fertig – der Schwung kann durch. Nun noch 2-3 weitere Aufnahmen und dann weiter. Von hier habe ich dann auch meinen ersten Blick auf den beleuchteten Eiffelturm dieser Reise. Immer wieder wunderschön. An diesem Bild kann man sich einfach nicht satt sehen. Ich mache ein paar Aufnahmen und probiere noch ein paar experimentelle Dinge aus, die dann auch wirklich ein grandioses Ergebnis liefern.
[Leider gestaltet sich das mit der Erlaubnis von der SETE etwas schwieriger, als erwartet und so muss ich die Aufnahmen später nachreichen, wenn ich endlich deren Erlaubnis habe, den beleuchteten Eiffelturm hier zeigen zu dürfen. Auf eine Abmahnung wegen deren Copyright am beleuchteten Eiffelturm habe ich nämlich keine Lust. Kunst ist eben nicht so einfach ;-) ]
Kurz vor der Passerelle Debilly sehe ich, dass auf der Brücke gerade geshootet wird. Ein Model in einem riesigen roten Plüschherz. Als ich dann dort ankomme, sind sie gerade fertig und ziehen weiter. Auf der Brücke treffe ich auf eine junge Engländerin, die ebenfalls allein unterwegs ist. Ich helfe ihr bei einem Foto vom Eiffelturm und wir kommen noch ein wenig mehr ins Gespräch. Sie ist zum ersten mal in Paris und ich erkläre ihr, dass sie hier noch ein wenig mit mir warten soll, weil es sich lohnen wird. Pünktlich 22 Uhr begann dann auch wieder das Funkeln. Wusste sie gar nicht und dementsprechend war sie begeistert. In der Zwischenzeit mache ich weiter meine Aufnahmen. Als ich fertig bin werde ich von einem Mann angesprochen, ob ich nicht auch noch schnell ein Foto von ihm und seinem Sohn machen könne. Natürlich. Kein Problem. Danach ziehe ich weiter über die Quai Branly.
Ziemlich mutig positioniere ich mein Stativ auf der Straße, immer in der Hoffnung eine größere Auto-Pause abzupassen. Die Lücken in den Baumwipfeln lassen einen anderen Standort nicht zu. Mein Blick ist die ganze Zeit nach Hinten gerichtet, um nicht doch überfahren zu werden. Bei jedem Schwung Autos also schnell das Stativ und mich mit 2 Schritten wieder an die Seite gestellt. Die Aktion dauerte dadurch natürlich ein wenig länger. Erst einmal die perfekte Position finden. Dann Autos. Danach dann Kamerawinkel einstellen. Wieder Autos. Belichtung anpassen. Autos. Erste Belichtungsversuche. 20 Sekunden. Dann wieder Autos. Bild checken. Und so weiter und so fort… bis ich ein paar verschiedene Motiveinstellungen hatte war dann auch schon wieder fast eine halbe Stunde rum.
Am Eiffelturm selbst positionierte ich mich strategisch günstig an der Kreuzung der Pont d’Iéna. Kurz nach mir kommen noch 2 andere Fotografen. Aber die müssen kurz warten, wenn sie mich nicht mit im Bild haben wollen. Tolles Bild im Kasten und ich drehe mich um 180° in Richtung Trocadero und das Palais de Chaillot. Hier stelle ich mich auch ganz ans Ende der Fußgängerinsel und das Stativ schon auf den Mittelstreifen. Die Lampen leuchten gerade in einem guten Winkel. Also auch hier noch einige Aufnahmen. Die Leute in ihren Autos die wegen der roten Ampel immer mal wieder neben mir halten, freuen sich doch irgendwie alle über das was ich da tue. Jedenfalls sehr unterhaltsame Momente.
Nachdem ich auch die Fotos alle geschossen habe, laufe ich wieder weiter in Richtung Alma Marceau. Nur eben auf der anderen Uferseite. Der Avenue de New York. Hier begegne ich auch Lativ – einem älteren Herrn aus Südafrika – und wir kommen eine ganze Weile ins Gespräch. Er war vor über 30 Jahren das letzte Mal in Paris. Es ist kurz vor 23 Uhr. Ich bereite in der Zwischenzeit meine Kamera für einige weitere Aufnahmen vor. Ein kleines Geburtstags-Dankeschön für Jemanden mit kleinem Gruß. Interessiert schaut er mir zu was ich da für Verrenkungen mache, weil ich das Grußkärtchen doch festhalten muss, da es vom aufkommenden Wind sonst weggeweht worden wäre. Gar nicht so einfach diese (sportliche) Art der Langzeitbelichtung ;-)
Wenig später beginnt der Eiffelturm erneut zu glitzern. Er ist total erstaunt darüber und freut sich sichtlich. Für die Verwandtschaft hält er dieses Spektakel in einem kleinen Video fest. Er erzählt mir dann noch, dass es das damals so wohl noch nicht gegeben hätte. Und hätte er nicht da noch mit mir gewartet, wäre es ihm wohl gar nicht aufgefallen, da er in Richtung Metro weiter wollte. Er ist nur diesen einen Tag in Paris. Quasi auf der Durchreise von einem längeren Flug. Wir unterhalten uns noch ein wenig mehr über Dieses und Jenes und dann verabschieden wir uns voneinander. Heute macht es doch tatsächlich Spaß mit dem Smalltalk auf englisch.
Ich mache noch einen kleinen Abstecher hoch zum Palais de Tokyo. Gucken was da so los sein wird die Tage. Und dann sehe ich am Club YoYo nebenan, wer da am 27.09. auftreten wird. AaRON. Ja da war doch was… genau! Die Band, von der ich die Konzertkarten für Heidelberg gewonnen hatte und deren Auftritt aber 1 Tag vorher abgesagt wurde. Glücklicherweise habe ich hier freies w-lan und ich gucke gleich nach Karten. Zu meiner Enttäuschung stelle ich dann doch fest: Ausverkauft. Was ein Pech aber auch. Das wäre der krönende Abschluss für die Reise gewesen. Aber es sollte einfach nicht sein.
Ein klein wenig enttäuscht nach dieser doch spontanen Entdeckung ging ich zur Metrostation Iéna. Ab zum Hotel. Meine Füße tun sowieso schon weh, von der vielen Lauferei. Im Hotel unterhalte ich mich noch ein wenig mit Muri. Ist eh gerade recht ruhig. Und dann irgendwann ab auf’s Zimmer. War ein langer und aufregender Tag. Ich sichte noch die Fotos vom heutigen Tag. Schreibe ein wenig Tagebuch, lade alle Akkus und dann fallen auch mir irgendwann müde die Augen zu…

Paris – II

Hier geht es zu Teil I

(Noch einmal zur Erinnerung: kursiv = Gedankengänge; ich habe viel im Tagebuch festgehalten)

Da gingen wir also nun unserer Wege. Das erste Mal am Gare de l’Est – erinnert mich stark an den Frankfurter Hauptbahnhof. Na dann mal ab durch die Mitte.
Die Menschen aus dem Zug strömten in alle Richtungen. Ich ging nur geradeaus. Schon fast symbolisch. Vorwärts. Schritt für Schritt. Gespannt was mich erwartet.
Bahnhofsvorplatz. Die Sonne blendet. Ich atme tief durch. Genieße den Augenblick. Schiebe die Sonnenbrille vom Kopf zur Nase hinunter. Hier bin ich.
Paris. Mon amour.
Da bin ich hier und nun? Unterkunft… falls das heute nicht klappt, ich hab schon anderes durch. Eine Nacht schlag ich mir notfalls auch so um die Ohren, wäre nicht das erste Mal. Also los jetzt!
Weiter geradeaus über die Kreuzung. Das erste Café. Noch eines. Dann ein Hotel. Auf den Aushang gucken. Nein. Nicht wirklich mein Budget mit 240,-€ die Nacht. Weiter. Eine schöne Kirche. Église Saint-Laurent. Ich bleibe stehen. Wunderschöner Gotik-Stil. In Ruhe ansehen. Und weiter. Das nächste Hotel. Ok. Sieht schon von außen verdammt teuer aus. Ich wage trotzdem einen Blick. Nein. Da bleibe ich einen Moment stehen. Als wenn die Information jetzt erst ankommt. Ich gehe nochmal wenige Schritte zurück und blicke in die kleine unscheinbare Seitengasse. Ein Schild: Hotel Sibour.
Unscheinbar, aber direkt neben der Kirche. Ziemlich mittig der kleinen Gasse der Eingang. Wirkt ja eigentlich nicht gerade toll. Erstmal eine rauchen. Ich schaue auf den Aushang und glaube meinen Augen kaum. 80 – 90,-€ das DZ mit Dusche und TV. 40,- hingegen das Einzelzimmer ohne alles. Klo/Dusche auf dem Gang. Wie im Ferienlager damals. Why not. Hostel wäre auch nicht besser, dafür zusätzlich mit Großraumzimmer. Ich wollte es so. Wird schon nicht so siffig sein. Ich nehme meinen Mut zusammen und gehe hinein. „Bonjour“ und gebrochenes französisch meinerseits. Der freundlich wirkende Herr an der Rezeption schwenkt um auf english. Ich erkläre ihm, dass ich das Einzelzimmer ohne alles möchte. Etwas ungläubig schaut mich der Herr an. Ich frage noch einmal nach der Zimmerausstattung. Bin hin- und her gerissen. Ich nehme es. Will ich das wirklich? Budget gibt auch knapp das Doppelzimmer her, dann spare ich eben woanders. Nach etwas erklären und fragen nehme ich dann doch das Doppelzimmer. Ein wenig verhandeln. Ha! 70,- bietet mir der Herr an. Das ist ungefähr das, was ich auch bei AirBnB gezahlt hätte. Ich buche 2 Nächte, die Dritte Nacht… mal schauen, wo ich bin. Ich bekomme Zimmerschlüssel und Fernbedienung überreicht. Fernbedienung? Ok. Geht gut los. Ich muss ein wenig grinsen und gehe links und dann wieder rechts zum Aufzug. Klein. Passt mit dem Rucksack auf dem Rücken gerade so. So langsam wie der Aufzug fährt und Geräusche von sich gibt, bin ich erleichtert, als die Tür wieder auf geht. Heil im 3. Stockwerk angekommen.
Ich gehe nach rechts. Komme am Treppenhaus vorbei. Überall dunkler Teppich. Passend zum dunklen Gang. Mir schießen Bilder von schlechten Horrorfilmen in halbdunklen Hotels ins Bewusstsein. Da ist es. Mein Zimmer auf der linken Seite. Ich schließe auf. Erwarte schlimmes.
Und bin erschrocken. Das hab ich nicht erwartet. Großes Doppelbett, Blümchentapete, ein toller alter Kleiderschrank. Hell.
Fenster auf. Ausblick. Fantastisch. Ein toller Blick auf die Kirche. Ich setze meinen schweren Rucksack und die Tasche mit meiner Kamera ab. Probeliegen. Bequem. Freude. Ein paar kleine Tränen laufen mir über die Wange. Geschafft. All die Angst. Unbegründet. Alles wird gut. Nun ein Blick ins Bad. Oha. Eng.
Trocken-Probesitzen. Wenn ich die Tür nicht zumache ist es gar nicht so wild. Platzangst hab ich eigentlich keine, aber Tür zu, ist mir dann doch zu eng. Zimmer hab ich eh für mich allein – so what. Linken Fuß ins Zimmer ausstrecken. Meine rechte Schulter leicht unters Waschbecken schieben, Kinn mit Würde darüber. Geht schon. Zum Glück bin ich nicht mehr ganz so dick wie früher. Ich muss laut lachen. Bilder in meinem Kopf, wie ich eingeklemmt im Bad hänge und um Hilfe zappele. Ja. Alles machbar hier. Bin zufrieden. Ich schaue mich in dem Mini-Bad von meinem ‚Thron‘ aus um. Riecht etwas nach Chlor. Ok. Es ist alles sauber. Duschtür aufgeschoben. Ist aber auch nicht sehr groß der Spalt, durchquetschen. Wird schon passen heute Abend. Mein Blick wandert weiter. Kein Schimmel. Keine Flecken, kein Ungeziefer, keine Spinnweben. Ein heller freundlicher Gelbton an der Wand. 1 Rolle Klopapier. 2 Handtücher. 1 eingepacktes Glas unter dem Spiegel auf der Ablage.
Nun weiter. Tasche etwas erleichtern. Kamera checken. Endlich etwas essen. Bifi-Roll – trocken, aber hilft für’s Erste. Nun runter zur Rezeption. Dort bekomme ich einen kostenlosen Stadtplan und noch den Hinweis, wann die Tür geschlossen ist und ich dann klingeln muss, um wieder hinein zu kommen. Alles klaro. Voller Elan raus aus der Tür und ab nach rechts, wieder zur Hauptstraße, als ich mich vorhin entschied, zurück zu gehen.
Ich laufe die Straße entlang. Sauge alle Eindrücke auf. Wissend, dass ich an der Seine wieder raus kommen werde. Schick hier. Ich überquere die nächste Kreuzung und laufe weiter. Und weiter…
Irgendwas ist anders. Vor lauter Eindrücken so ausgereizt in der Verarbeitung… Wo bin ich hier? Hier bin ich doch falsch. Alles anders. Anders als erwartet. Wo sind die Leute von vorhin hin, die auch in diese Richtung liefen? Die anderen Touristen? Hallo? Ich bleibe stehen und sehe mich in Ruhe um.
Tatsächlich bin ich mit überqueren der letzten Straße im Afrikaner-Viertel gelandet. Keinerlei Weiße mehr zu sehen. Ich gebe zu, dass ich etwas erschrocken war. Ich hatte damit nicht gerechnet. Ich gehe weiter. Viele junge Männer die in Gruppen vor den Geschäften stehen. Viele Friseur-Salons. Hübsche Frauen kommen und gehen. Die jungen Männer öffnen die Türen. Hat etwas Türsteher-Charakter. Prollig. Goldketten. Muskulös, Sonnenbrille. Handy. Vor fast jedem Geschäft. Eine andere Welt. Boulevard de Strasbourg.
Ich bemerke, dass ich ziemlich angestarrt werde. Scheinen nicht viele weiße junge Frauen sonst allein hier entlang zu laufen. Je weiter ich gehe, desto mehr Männer-Grüppchen stehen auf dem Weg und beobachten mich schon von weitem. Ich lasse mich nicht beirren und laufe weiter. So unvorhergesehen; ich kann die Architektur um mich herum gerade nicht genießen. Unerwarteter Kulturschock. Vielleicht trifft es das.
Ich habe Hunger. An der nächsten Kreuzung biege ich rechts ab. Dann wieder links. Viele kleine Geschäfte. (Rue Saint-Denis)
Immer weiter Richtung Süden. Links der Tour Saint-Jaques. Da ist sie. Die Seine.
Ich entschließe mich dazu, am Quai bis zur Pont des Arts zu schlendern. Vorbei an diversen Malern und der Pont Neuf. An der Pont Neuf helfe ich noch einem Pärchen ein schönes Foto von sich zu bekommen, genieße den Blick und laufe weiter. Rechts der Louvre. Links die Weltberühmten Schlösser. Leider nicht mehr an der Brücke selbst, da diese unter dem Gewicht gelitten hatte und vor kurzem demontiert wurden. Am Quai ließ man aber noch einige wenige Geländer stehen und war somit für viele Pärchen Anziehungspunkt Nr. 1.
Ich machte noch ein paar Fotos, vorbei an einer Polizeistreife auf Inline-Skates, die gerade jemanden überprüften. Ich gehe bis zur Mitte der Brücke und entscheide mich dann doch spontan in Richtung Louvre zu gehen. Ich gehe in Richtung Garten, setze mich auf einen der vielen Sonnenstühle am Brunnen, und genieße den Moment. Ich beobachte Möwen, Touristen, Einheimische, offensichtliche Models, Künstler, Fotografen, Tierliebhaber – alles dabei. Ein wundervoller Ort zum entspannen. Das Wasser plätschert. Ein leichter Wind und die Sonne, die die Wolken hin und wieder etwas dramatisch wirken lässt.
Eine gute Stunde verbrachte ich hier, bis ich mich wieder auf den Weg machte. Ticket besorgen.
Ab in Richtung Pyramide. Ein kurzes Louvre-Selfie von und mit mir (wenn ich schon hier bin ;-) ) und übereifrige Damen dabei beobachten, wie sie gute 10 Minuten lang versuchen, die perfekte Selfie-Pose zu finden. Vor der Pyramide selbst an einem Absperrgitter sitzen 4 Kunststudentinnen, die den Louvre sehr gut zu Papier gebracht haben. Tolle Zeichnungen.
Weiter. Eingang suchen. Carrousel du Louvre. Irgendwo hier muss doch der Eingang sein. Jetzt laufe ich schon im Kreis. Toll. Ich bin genervt. Ich entschließe mich dazu, die Suche abzubrechen und auf Risiko zu gehen. Ticket dann eben morgen früh mit Anstehen an der Pyramide. Das kann ja heiter werden.
Ich gehe wieder durch die Tuileries Garden. Der Blumenduft ist sehr eindringlich. Riecht gut. Meine Laune hebt sich wieder. Vorbei an Statuen. Hier und da noch ein Foto und weiter zum Place de la Concorde. Der Obelisk mit der Goldenen Spitze. Eindrucksvoll. Vor über 10 Jahren, als ich das letzte Mal an dieser Stelle stand, hat mich das alles nicht so sehr beeindruckt, obgleich damals der Grundstein für meine Liebe zu Paris gelegt wurde. Ich drehe eine Runde um den Obelisken und gehe dann zum südlichen Springbrunnen, um ein paar Aufnahmen zu machen. Gerade angekommen sehe ich einen Mann. Was zum Kuckuck macht der da? Rucksack liegt am Rand, er im Wasser watend. Was sucht er? Na hauptsache er wäscht sich nicht noch. Der Mann dreht seine Runden im Brunnen, ich versuche einen halbwegs ordentlichen Blickwinkel mit der Kamera festzuhalten. Just in diesem Moment bemerke ich die Überwachungskameras und dass das Wasser weniger wird. Schnell noch ein paar Fotos, jetzt spritzt es nicht so. Der Mann dreht weiter seine Runden und ich höre Sirenen, die immer näher kommen. Ich muss grinsen… Ich habe es gewusst. Warum eigentlich immer ich? Ich überlege noch kurz mich zu entfernen, aber denke mir nur, dass das dann womöglich erst recht verdächtig wirkt. 3 Polizeiwagen halten, einer an jeder Seite um uns herum. 5 Beamte steigen aus. Hand an der Waffe. Walkie-Talkie-Sprachfetzen. 2 sitzen noch im Auto. Ich werde gebeten mich auszuweisen, obwohl ich signalisierte nicht zu dem Herrn zu gehören. Ich zeigte meine letzten Aufnahmen, während meine Personalien von einem Polizisten im Auto via Funk überprüft wurden. Fehlt jetzt noch, dass ich womöglich noch mit auf’s Revier soll, um eine Aussage zu machen. Aber alles gut. Sie glaubten mir, ich bekam meinen Ausweis wieder, wurde höflich verabschiedet und durfte gehen. Bei dem Herren aus dem Brunnen dauerte es länger. Ich glaube sie haben ihn mitgenommen. Bin mir aber nicht sicher, so genau habe ich nicht mehr drauf geachtet. Zu viel in diesem Moment. Ich gehe über die Straße zum Park. Setze mich auf eine Bank und zünde mir auf den Schrecken eine Zigarette an.

weiter mit Teil III

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Louvre. Selfie.
Louvre – Selfie
morgendlicher Blick aus meinem Hotelfenster
morgendlicher Blick aus meinem Hotelfenster

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Paris – I

Paris. Eine Reise und wie ich mich vielen Herausforderungen stellte.
24.09.2015 – 27.09.2015

Das Kursiv geschriebene sind meine Gedanken. Real und ungefiltert.

Doch von vorn.
Montag der 21.9.2015, Nutella hatte gerade zu seinen Gläsern die Aktion, dass es eine 1-Monatige Bahncard 25 Gratis dazu gab. Ok. Gekauft.
Paris hatte ich im Hinterkopf. 2001 war eh schon viel zu lange her. Also Paris. Ich mache das!
Am Abend dann etwas im Web gesurft, ob das denn passen wird wettertechnisch. Sieht gut aus.
Dienstag 22.09.2015. Auf in die Stadt zum DB-Schalter. 20 Minuten Wartezeit. Keine Sitzgelegenheit. Dann war ich dran. Die Dame war sehr nett, kam ebenfalls gebürtig aus dem Osten, wie sich herausstellte. Diesen Nutella-Gutschein hingegeben. Bahncard-Ausdruck bekommen. Hatte ohne Probleme geklappt. „Wo soll es denn hingehen?“ – „Nach Paris bitte. Übermorgen. Ab hier. Rückfahrt am Sonntag.“ Wildes tippen im Computer. Basel – Paris Verbindungen… 3 Stunden. Dann der Einwurf der Dame: „über Karlsruhe wird es aber um einiges günstiger, weil das dann direkt über DB läuft.“ Hm. 3 Stunden länger. Egal. Ich mag Zug fahren. Ich muss sowieso sparen. „Ok. Machen wir.“ sagte ich. Tickets wurden gebucht und ausgedruckt. Europa-Spezial Frankreich. Hin- und Rückfahrt für 156,-€. Kann man wirklich nicht meckern.
Zufrieden ging ich aus dem DB-Büro. Doch mir war etwas flau im Magen. Scheisse. Und wo schlaf ich eigentlich?
Dienstag Mittag… und Donnerstag früh bei Zeiten sollte es losgehen. Also günstige Hostels recherchiert. AirBnB nachgeguckt. Ist auch noch was frei. Aber hab ich dieses Mal keine Nerven für. Die Liste mit den Hostels nehm ich sicherheitshalber aber mit. Sicher ist sicher. Abenteuer! Oder einfach nur gewagt und dumm? – Nix da, ich schaffe das!
Auf nach Paris ohne gebuchte Unterkunft!
Mittwoch… Geschlafen hatte ich die Nacht nicht so dolle. Ob das wirklich gut geht? Ich lasse es drauf ankommen. Noch etwas Recherche, was günstiger kommen wird… Tageskarten oder das Carnet. Vermutlich das Carnet. Öffnungszeiten googeln. Ich will endlich mal in den Louvre. Wo Tickets kaufen. Gefunden. Stadtplan auf google Maps anschauen. Grober Überblick. Wo will ich hin… Ganz schön viel. Könnte etwas stressig werden. Aber ich lasse mich treiben. Die Stadt wird mir den Weg zeigen. Meinem Gefühl folgen.
Trekkingrucksack packen. Schlafsack. Paar Klamotten. Wörterbuch. Kamera. Alle möglichen Ladekabel. Buch. Taschenlampe. Taschenmesser. Getränk und BifiRoll. Wechselschuhe.
Rucksack testweise aufsetzen. Kippt etwas nach links. Also alles nochmal neu packen. Jetzt ist es besser.
Schlafen. Vor lauter Aufregung sind es nur 3 Stunden geworden.

24.09.2015
Mit der Regionalbahn ging es bei Zeiten nach BaselBad. Warten auf den ICE. Verwirrung auf dem Bahnsteig. Wagenplan studieren. Abfahrtszeiten vergleichen. Der ICE der gleich einrollt ist es nicht. Doof gemacht.
Ich sehe viele verwirrte Gesichter. Jung wie alt. Mann wie Frau. Der ICE fährt ein. Doch das ist nicht meiner. Ist das wirklich nicht meiner? Ruhig bleiben, ich hab 3x auf den Plan geguckt – Wagennummern sind auch nicht identisch. Die Anzeigetafel scheint sich nicht entscheiden zu können, welchen ICE sie anzeigen soll. 100%-ig sicher bin ich mir auch nicht, dass das wirklich der falsche ICE ist. Restrisiko 5%.
Ein junger Mann will gerade hastig einsteigen, dreht sich zu mir um und fragt „Karlsruhe?“ Ich schüttele den Kopf. In diesem Moment springt die Anzeige wieder um. Jetzt ist mein ICE ausgewiesen. Abfahrt in 1 Minute. Es kommen Menschen angerannt und hechten in den Zug. Die Türen schließen sich. Eine Frau will wieder aussteigen. Doch da rollt er schon los.
Der Bahnsteig ist fast komplett leer. Der junge Mann lächelt mir noch einmal erleichtert zu, dass er nicht zu denen gehört, die falsch eingestiegen sind. Ich lächele zurück.
Das war dann wohl meine gute Tat für heute.
Warten. Und warten. Minuten werden zu einer gefühlten Ewigkeit.
Das ist doch jetzt nicht wahr. Verspätung. Ich hab doch nur 15 Minuten Umsteigezeit zum TGV in Karlsruhe. Fuck. Auf den Füßen vor und zurück wippen. Eine Durchsage. Triebwagenprobleme. Verzögerung ca. 20 Minuten. Wie soll ich das denn schaffen? Ich bin den Tränen nahe. Soll es das jetzt gewesen sein? Ich bin doch noch gar nicht weit gekommen. Paris in weiter Ferne. 15 Minuten nach Planmäßiger Abfahrtszeit rollt der ICE ein. Geänderte Wagenreihung. Egal. Er ist da. Ich bin erleichtert und für den ICE bis Karlsruhe hab ich sowieso keine Sitzplatzreservierung. Platz am Fenster bekommen. Die Begrüßung tönt durch die Lautsprecher. Der Lokführer will versuchen etwas Zeit aufzuholen. Ich bin wieder etwas zuversichtlicher. Keine weiteren Besonderheiten auf der Fahrt. Toller Sonnenaufgang. Er hat tatsächlich Zeit gut gemacht. Karlsruhe HBF. Hässlich wie eh und jeh. Dafür nun wieder mit 7 Minuten Umsteigezeit. Easy.
Da steht er ja schon. Der TGV. Meine Sitzplatzreservierung rauskramen. Wagen 18. Der ganz vorn. Das erste mal TGV. Da bin ich also mit meinem sperrigen Rucksack direkt ins Abteil. Mein Platz. Da sitzt bzw. schläft eine junge Frau. Was macht sie da? Hab ich mich im Wagen geirrt? Ich gehe noch einmal zurück, um mich zu vergewissern. Den Stau den ich im Abteil fabriziert hatte, erstmal vorbei lassen. Ich bin richtig. Ich zücke also mein Ticket, nehme allen Mut zusammen und versuche die Frau freundlich aber bestimmt zu wecken. Französisch spricht sie. Mit deuten auf mein Ticket und einem „Voiture 18“ darauf hinweisen, wo wir hier sind. Sie holt ihr Ticket hervor. Aha. Falscher Wagen. Sie muss in die 16. Der TGV rollt los. Ziemlich wackelig und ständig geht diese doofe Tür zu. (Mein Sitzplatz war direkt am Fenster, Abteileingang oben rechts) Hat mich 1x eigeklemmt mit meinem Rucksack. Absetzen und noch irgendwie mit in die überfüllte Gepäckablage vor dem Abteil stopfen. Kann zumindest nicht herunterfallen.
Endlich. Ich sitze. Tiefes durchatmen.
Der Herr neben mir bemerkt meine Erleichterung. Ein kurzes Hallo und guten Morgen. Die erste Zeit schaue ich interessiert aus dem Fenster. Ich bin zufrieden. Ich liebe das, wenn die Welt so vorbei zieht.
Der Herr neben mir kramt sein Frühstück hervor. Man hab ich hunger. War das nervenaufreibend bisher. Mein Essen und Trinken sind im Rucksack. Haha. Nein. Ganz toll gemacht. Aufstehen will ich jetzt aber nicht. Ich will ihn nicht beim frühstücken stören. Mhh… riecht sein Brot lecker. Doch aufstehen? Ich blieb sitzen.
Eine schöne Landschaft da draußen. Gefällt mir. Unterwegs in Richtung Strasbourg.
Nach seinem Frühstück holt er seinen Laptop aus seiner Tasche und schaltet ihn ein. Ok. Sehr gut. Hab ich Glück, wenn er arbeiten will. Ich schaue weiter aus dem Fenster. Höre tippen von nebenan.
Dann spricht er mich an. „Sind sie beruflich unterwegs?“ Warum tust du das? Du hast deinen Laptop gerade aufgeklappt. Willst du nicht lieber arbeiten? Warum? Warum sprechen mich nur immer alle an?? Ja ich weiß… das sympathische Mädel von nebenan. Oder ist es doch meine autistische Distanziertheit, die wie ein Mysterium – auf vorwiegend Männer, zumeist mindestens 10 Jahre älter – wirkt?
„Nicht direkt. Ich möchte Fotos machen.“ Nein, warum tue ich das? Warum kann ich nicht einfach lügen? Es geht nicht. Jetzt hab ich sein Interesse geweckt. Toll. Smalltalk in 3..2..1…
Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste… ich sollte mich bis Paris mit ihm unterhalten. Ein Smalltalk-Profi, wie sich schnell herausstellte. Ich nehme die Herausforderung an, vielleicht kann ich was lernen. Einfach Augen zu und durch.
Ich erfuhr also, was er beruflich machte. Warum er heute nach Paris fährt. Ich erfuhr interessante Sachen, langweiliges oder aber auch wissenswertes. Ich weiß nun, wie man die günstigsten Flüge nach Denver bekommt.
Ein Vorort. Der TGV hält recht abrupt. Ziemliche Bremsung. Mein Abteil, also das Erste… genau auf einer Brücke. Unruhe im Zug. Scheint nicht geplant zu sein. *Pschhhffschhh…* Klingt, als wenn der Zug ausgemacht wurde. Lichter gehen auch aus. Ich gucke nach unten. Geht sehr tief runter. Mein Hirn rattert und spielt alle möglichen nun kommen könnenden Situationen durch. Mein rechter Mittelfinger flattert gegen die Handinnenfläche. Ich ziehe meinen Ärmel vom Pullover etwas mehr hinunter. Ich will nicht, dass der sympathische Herr neben mir das mitbekommt. Dennoch scheint er meinen Stresspegel zu bemerken. Er verwickelt mich wieder in ein Gespräch. Danke. Zusammenreißen und nicht weiter stressen. Anderer Fokus.
*Pfffschhhhtrrrrrr…brummm… krschhhpschhh* Das Licht geht wieder an. Bald schon rollen wir langsam weiter. Bis zur Stadt.
Strasbourg. Sieht toll aus. Wunderschön. Der Dom. Ich staune. Mein Sitznachbar erzählt mir ein wenig über die Stadt.
Hauptbahnhof. Emsiges aus und einsteigen. Ich beobachte eine Frau am Gleis, die noch jemandem hinterher winkt, als wir wieder langsam losrollen. Weiter geht’s.
Jetzt kommen wir auf die Hochgeschwindigkeitstrasse. Sieht ziemlich neu aus. Uuuh… Beschleunigung. Ordentlich. Ein Raunen geht durch’s Abteil. Die Anzeige springt auf die km/h Angaben. 315 km pro Stunde. Ich schaue aus dem Fenster. So schnell. In der Ferne langsam. Spitzenwert waren 322km/h für etwa 2 Minuten.
Schon bald waren die ersten Flugzeuge zu sehen. Wir kamen Paris immer näher. Nun wieder etwas Tippen von links. Kurz durchatmen. Bis ich ihn auf ein tieffliegendes Flugzeug aufmerksam mache. Es sieht so aus, als wenn der Zug immer schön parrallel neben her fährt. 317km/h. Landeanflug auf Charles-de-Gaulle. Der TGV in Richtung Paris Est. Nicht mehr weit. Unruhe im Abteil. Die ersten räumen zusammen. Der Herr und ich bleiben noch gute 5 Minuten entspannt sitzen. Genießen den Ausblick. Nur noch wenige Worte jetzt. Dann machen auch wir uns zurecht und in Richtung unserer Gepäckstücke auf. Im Gang stehen. Ungeduldige Fahrgäste. Ich positioniere mich so, dass ich gut aus einem Fenster sehen kann.
Da ist es. Paris. Ich bin tatsächlich hier.
Der TGV rollt langsam ein. Gleiswechsel. Es schaukelt heftig. Währenddessen haue ich meine rechte Hand an einem Fahrrad an. Das tat weh. Schmerz. Augen schließen. Tief durchatmen. Ich bin hier. Jetzt. Ich akzeptiere die Situation. Gehört mit zu meinem Abenteuer. Der Zug hält. Türen öffnen sich. Wir strömen heraus. Ein Pulk der sich seinen Weg bahnt. Zwischendrin immer wieder glückliches Wiedersehen. Freude anderer Menschen. Noch ein kurzer verabschiedender Blick von dem Mann, der neben mir saß. Unsere Blicke verlieren sich in der Masse. Jeder geht seinen Weg.

weiter mit Teil II

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Somebody (Neuroticfish)

Lange habe ich nun auf das neue Album von Neuroticfish gewartet. Voller Erwartung hinein gehört und ich bin nicht enttäuscht worden. Im Gegenteil. Die Szene tat sich in den letzten Jahren keinen Gefallen mit ihrer Musikentwicklung. Entweder massentauglichere Alben, die (mich) nicht mehr berührten oder die immer gleiche Mucke wie vor 5 oder gar 10 Jahren.
Herrlich erfrischend kommt das neue Neuroticfish Album „A Sign of Life“ daher. Bereits die ersten 5 Titel begeisterten mich.
Als ich bei Track 12 ankam, war ich erstaunt und begeistert zugleich. Mir kam nach 2-3 maligem Hören auch gleich der Gedanke, einen kleinen Blogeintrag darüber zu verfassen.

Der Grund liegt in der Thematik des Liedes: Depression.

In Zeiten von Twitter und dem (Hashtag) #notjustsad schien das Thema ein wenig in die breitere Öffentlichkeit gelangt zu sein, doch aufgrund der aktuellen Ereignisse um den Germanwings-Absturz werden Depressive oder anderweitig seelisch/psychisch belastete Menschen extrem stigmatisiert und trauen sich erst recht nicht an die Öffentlichkeit oder überhaupt mit jemandem darüber zu sprechen, um letztendlich Hilfe zu bekommen.

Um so passender finde ich dieses Lied zum jetzigen Zeitpunkt und verdient Aufmerksamkeit. Den Text zum Lied könnt ihr >hier< nachlesen.

Der Track beschreibt meiner Meinung nach sehr gut das Gefühl (wenn man in dem Moment überhaupt von Gefühl sprechen kann), welches man durchlebt, wenn man mitten in der Depression steckt. Es ist eher die Leere, die einen umgarnt.
Auch ich kenne das und der Texter (Spekulation meinerseits, wenn man die zeitweilige Trennung der Band bedenkt) des Liedes scheint ebenfalls eine solche Phase durchlebt zu haben. Anders kann ich es mir fast nicht erklären, so treffend diesen ‚Zustand‘ zu beschreiben. Diesen inneren Kampf. Bewusst oder vielleicht auch unbewusst aus der Emotion heraus findet er so eingängige Worte, dass sie diesem Song dadurch nur noch mehr Dramatik verleihen.

Dieses Thema mit solcher Medienpräsenz (wie sie die Band hat) anzugehen, finde ich klasse und verdient jede Menge Respekt. Ich hoffe, dass dieser Schritt belohnt wird.


Ein kleiner Nachtrag:
In der Zwischenzeit erhielt ich eine e-mail vom Sänger der Band, der auf diesen Text hier wohl aufmerksam gemacht wurde. Er schrieb mir ein paar nette Zeilen, wie treffend ich formulierte, was er mit dem Songtext ausdrücken wolle. Ich kann nur zurück geben: Danke für dieses Lied (und die freundliche Mail).

Wer in das Album hinein hören möchte, der kann das gerne hier tun:
Neuroticfish – A Sign of Life (via bandcamp)

http://www.neuroticfish.com/

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Wahrnehmung der Reize um mich herum

…oder auch: mein Autismus und ich.

Das das Leben als Autistin nur durch die veränderte Wahrnehmung bestimmt wird, würde ich so direkt jetzt nicht behaupten, aber ich kann es letztendlich auch nicht ‚ausschalten‘ und so arrangiert man sich damit. Manchmal hat es aber auch Vorteile, die Welt um sich herum anders wahrzunehmen.

Sehen (visuelle Wahrnehmung):
Ich kann ziemlich gut sehen. ‚Adlerauge‘ wurde ich schon oft genannt. Details in der Ferne nehme ich recht schnell wahr und auch sonst sind es die kleinen Dinge, die mir als Erstes auffallen.
Andererseits bin ich sehr Lichtempfindlich. Ohne Sonnenbrille gehe ich praktisch nie aus dem Haus. Selbst ein bewölkter Himmel ist manchmal schon zu hell und Autofahren ohne Sonnenbrille wäre meinerseits grob fahrlässig, da das schon bei nur leichtem Sonnenschein ein vollkommener Blindflug wäre.

Hören (auditive Wahrnehmung):
Ich nehme alle Töne um mich herum gleich stark wahr – auch wenn sie nicht direkt neben mir erzeugt werden. Shoppen in der Stadt kann ziemlich anstrengend sein. Das Unterhalten der Leute, Autos die vorbeifahren, Kinder die weinen oder kreischen, Baulärm, Musikgedudel aus irgendwelchen Lautsprechern und am besten irgendwo noch ein Straßenmusiker. Ein Orchester aus Tönen, das mit noch anderen Reizen schnell zum Overload führen kann. Hier hilft eigentlich nur mein mp3-player mit Kopfhörern und recht lauter Musik, die mich von den anderen akkustischen Reizen abschirmt.
Andererseits half es mir schon ein paar mal aus brenzligen Situationen. Ein kleines Beispiel wäre da ein Winter vor einigen Jahren. Ich war mit 2 Bekannten in der Stadt unterwegs, als ich ein immer näher kommendes Rauschen/Rattern hörte und die Richtung auch schnell zuordnen konnte. Oben vor uns. Ich reagierte schnell und rief „stopp“. Keine 2 Meter vor uns krachte dann eine Dachlawine mit großen Eisplatten auf den Gehsteig. Hätte sicherlich Kopfverletzungen gegeben. Meine beiden Begleiter staunten nicht schlecht, woher ich das denn wusste.

Noch etwas zum Thema Musik… – gut, ich kann mir zwar nicht so richtig vorstellen, wie genau das Nicht-Autisten wahrnehmen, aber ich habe mir sagen lassen, dass wohl eher oberflächlich hingehört wird. Also die ‚Vordergrundmelodie‘ oder z.B. ein eingängiger Bass zuerst wahrgenommen wird oder gar nur der Text mit ‚Gedudel im Hintergrund‘. Das ist auch keinesfalls abwertend gemeint – nicht das mich da jemand falsch versteht. Bei Musik-Affinen Menschen (Berufsmusiker) ist das sicherlich nochmal anders – das ist mir bewusst.
Was ich eigentlich schreiben wollte ist, dass Musik bei mir sehr vielschichtig ankommt. Ich höre jedenfalls sofort die kleinen Nuancen in so einem Musiktitel. Die Instrumente, Loops etc. die das Lied unterstützten und nicht nur die, die mit ‚Krawumm und Ratata‘ ordentlich nach vorn und oben gedreht wurden.
Dadurch dass ich in Bildern denke, werden Worte und andere Töne die ich höre, sofort visuell von meinem Gehirn verarbeitet. Ich ’sehe‘ also quasi die Musik. Der Titel dröselt sich in meinem Kopf wieder in die einzelnen Tonspuren auf. Es fällt mir schwer das zu beschreiben, was ich meine. Vermutlich sollte ich mich mit einem Berufsmusiker bzw. Musikproduzenten mal genau darüber unterhalten, um das selbst richtig zu analysieren.

Riechen (olfaktorische Wahrnehmung):
Hier habe ich besonders beim Einkaufen meine Probleme. Die Putzmittelabteilung im Supermarkt zum Beispiel… hier mache ich immer einen großen Bogen drum. Es geht so weit, dass es mir Schmerzen bereitet, solch extreme Gerüche riechen zu müssen.
Ein Vorteil allerdings ist es, wenn ich an Lebensmitteln rieche. Ich bemerke schnell, wenn die nicht mehr in Ordnung sind, auch wenn sie noch gut aussehen.

Schmecken (gustatorische Wahrnehmung):
Hier ist es ähnlich, wie ich es oben schrieb. Daheim beim Kochen bin ich eher sparsam, was Gewürze betrifft. Ich genieße lieber den ‚reinen‘ Geschmack des Lebensmittels. Oft genug durfte ich mir auch schon anhöhren, dass das Essen doch erst mit den Gewürzen schmecken würde. So der Geschmack erst herausgekitzelt werden würde. Da kann ich nur abwinken.

Tasten (taktile Wahrnehmung):
Hier liegt der Knackpunkt bei der Kleidung. Bei Kleidung hab ich keine bestimmten Vorlieben, ob nun enganliegend oder weit geschnitten – die Stoffqualität ist eher ausschlaggebend. Kratzige Kleidung ist nicht nur ‚etwas unangenehm‘ auf der Haut, es macht mich wahnsinnig. Zu viele Reize. Deswegen bevorzuge ich weiche und fließende Stoffe und von besserer Qualität.

Berührungen: Ich gehe hier mal etwas spezieller drauf ein.
Wenn ich gestresst bin, kann ich Berührungen gar nicht haben. Ebenso unerwartete, z.B. wenn mir jemand ‚aus Spaß‘ von hinten in die Seite piekt oder ähnliches. Alles andere als witzig für mich.
Generell jedoch mag ich Berührungen. Je fester, desto angenehmer ist es für mich.
Nicht gerade unüblich für Autisten.

Schmerzwahrnehmung: Das ist auch wieder etwas ganz Eigenes. Reize die von Außen kommen, bedürfen schon eines stärkeren Grades, damit ich sie tatsächlich als Schmerz wahrnehme. Ich weiß noch genau die Situation, als ich die Spinalanästhesie vor dem Kaiserschnitt bekommen hab. Was wurde vorher groß erklärt, dass ich mich keinesfalls bewegen dürfe – trotz der vorherigen örtlichen Betäubung würde man es spüren, wenn die Nadel gesetzt werde. (Man wird dann ja trotzdem noch von 2 weiteren Personen in dieser gebeugten Position festgehalten, damit man wirklich nicht zuckt.) Aber zur Verwunderung des Personals, keine Schmerzreaktion von mir.
Im Gegensatz dazu Schmerzen die mein Körper selbst (also von Innen) erzeugt, nehme ich deutlich heftiger wahr. Das Thema Schwangerschaft war da in der Hinsicht auch ‚interessant‘.
Aber das ist irgendwann mal einen eigenen Blogpost wert.

Temperaturempfindung:
Hier überschneidet sich das Thema mit der Kleidung wieder. Ich kleide mich eher zu kühl als zu warm. Hohe Temperaturen empfinde ich als unangenehm, ich hab’s lieber etwas kühler. Sommertemperaturen bringen mich schnell an meine Grenzen. Alles jenseits der 26°C ist mir zu warm.
Was jedoch das Bad in der Badewanne oder Duschen angeht… das Wasser kann kaum zu heiß für mich sein. Alles unter 40°C nehme ich hierbei – warum auch immer – als zu kühl für mich wahr. Bevorzugte Temperatur liegt hier bei 44°C. Besonders im Winter, wenn der Körper generell etwas ausgekühlter ist.
Ich mag dieses stechende Kribbeln sehr. Es hilft mir dabei, meinen Körper mal wieder bewusst wahrzunehmen. Die Körpergrenzen fühlen. Schwierig zu beschreiben. Diese Temperaturreize wirken sehr beruhigend auf mich und das ist einer der wenigen Momente, in denen ich mich mal richtig tief entspannen kann.

Das war nun alles, was mir als Erstes in den Sinn kam. Sollte mir in nächster Zeit noch etwas zu diesem Thema einfallen, werde ich es nachtragen. Fragen sind aber auch gerne willkommen. :-)

Freiheit

Wie ein Blatt im Wind wirbel ich umher, ich tanze.
Frei die Gedanken, befreit von unendlicher Last.
Die Sehnsucht so groß nach innerem Frieden.
Spüre den Duft der Blumen um mich herum.
Jetzt endlich habe ich mein Ziel erreicht.
Genieße jeden einzelnen Moment.
Atme tief und öffne die Augen.
Erwache aus einem Traum.

Die Wolken weinen noch um dich…


Triggerwarnung: Depression, Suizid, Einsamkeit

Eine Kurzgeschichte…

Hastig sucht sie den Hausschlüssel in ihrer Jackentasche. Ein solches Unwetter gab es schon lange nicht mehr in der Stadt. Gefunden. Mit zittrigen Händen schließt sie die Tür auf, zieht Jacke und Schuhe aus und biegt nach links in ihr Wohnzimmer ab. Dort noch schnell die Unordnung der letzten Tage beseitigen – und ab ins Bad. Der Blick in den Spiegel zeigt eine junge Frau, braunes welliges Haar, mit blau-grüner Augenfarbe und gepflegten Lippen. Sie hält kurz inne, atmet tief ein und wieder aus, streicht mit den Fingern durchs Haar und setzt ihr schönstes Lächeln auf.
„So, da bin ich wieder – entschuldige bitte das Chaos“ sagt sie mit freundlicher Stimme zu dem Mann, der sie seit der Bushaltestelle begleitet hatte. Es war ihr verzweifelter Versuch etwas Nähe zuzulassen. Viel hatte sie ja nicht mehr. Ihre Eltern wollten nichts mehr von ihr wissen. Freunde hatte sie keine. Der Ehemann schon lange weg. Und ein Kind… darüber sprach sie nie wieder. 3 Jahre – auf den Tag genau ist das alles nun her.
Sie bat ihre neue Bekanntschaft mit ins Wohnzimmer, holte 2 Gläser aus dem Schrank und kippte etwas von dem Wein, den sie letzte Woche erst gekauft hatte, hinein. Im Hintergrund läuft eine CD mit 20er Jahre Musik.
Beide unterhalten sich über dieses und jenes, bis sie genug Wein getrunken hatten und den Weg ins Schlafzimmer gar nicht erst antraten. Sie genoss jede Berührung, seinen Atem an ihrem Hals, die rhythmischen Bewegungen. Ein Moment des Glücks.
Doch wie so vieles in ihrem Leben verschwand auch ihre Bekanntschaft schon bald wieder. Sie hatte auch nichts anderes erwartet. Sie hatte es mit ihrem Outfit doch genau darauf angelegt. Die Reize betonend, aber nicht billig. Elegant. Das war sie. Eine elegante Frau, die sich nach Vertrauen und Nähe sehnte und doch immer wieder nur für kurze Augenblicke das empfand, was sie nach außen spielte.
Sie macht sich einen Schwarztee und gibt 2 große Stückchen Candis-Zucker mit dem Löffel hinzu. Es knistert kurz. Den Moment mochte sie am meisten, wenn sie ihren Tee zubereitete. Es regnet noch immer ziemlich stark und der Wind lässt die Äste des Kastanienbaumes gegen das Fenster klopfen.
Wieder einmal rinnt ihr eine Träne über die Wange.
Sie sitzt noch eine gute halbe Stunde vor dem Fenster, beobachtet die Tropfen, die am Fenster hinunterlaufen und atmet tief ein und wieder aus. Geht zu ihrem Nachtschränkchen im Schlafzimmer, öffnet die Schublade und holt einen handgeschriebenen Brief heraus, den sie in einen roten Umschlag packt. Den Brief legt sie auf ihren Wohnzimmertisch. Zieht sich wieder Schuhe und Jacke an und macht das Licht aus. Hinter ihr klackt die Wohnungstür. Den kalten Gang hinunter zur Haustür. Es regnet noch immer und die Scheinwerfer der vorbeifahrenden Autos blenden sie. Doch das macht ihr nichts. Heute nicht.
Durchgenässt und mit zerzaustem Haar kommt sie an der Brücke an, die sie doch jeden Tag 2 mal überquert. Sie kennt sie genau. Sie hat alles schon zig mal durchgespielt. Würde denn wenigstens jetzt ihr jemand zuhören? Es fahren noch 3 Autos vorbei, dann ist es wieder dunkel. Als das nächste Auto kommt ist die Brücke menschenleer.
2 Tage später öffnet sich die Wohnungstür erneut.
Es ist die Polizei, die nach Hinweisen sucht und eine Beamtin findet schließlich den roten Briefumschlag.
Sie öffnet und liest ihn. Die Zeilen gehen ihr nicht mehr aus dem Sinn.

Allein. Wie ein Regentropfen der mit so vielen anderen gemeinsam am Fenster nach unten läuft. Einige schließen sich zusammen und bilden kleine Straßen, andere wiederum bleiben einzeln zurück.
Ich habe so vieles versucht. Vergessen und vergeben. Um Hilfe gebeten. Doch ich war nur ein Tropfen von vielen. Zu vielen. Unverstanden und unbeachtet. Versuchte allein klar zukommen. Doch irgendwann ist die Kraft zu Ende. – Dieser Tag ist heute.

Es tut mir Leid.

Katharina…