Autismus, Schlaf und ASMR

Schlafzimmer des Königs in Versailles

(Das Bild zeigt das Schlafzimmer des Königs in Versailles.)


Schlafprobleme, ein Thema welches viele Autistinnen und Autisten über Jahre oder Jahrzehnte hinweg begleitet und in der Autismus-Forschung leider nicht wirklich Beachtung findet. Hier gibt es massiven Nachholbedarf. Medikamentöse Ruhigstellung kann und darf nicht das Ziel sein.

Viele von uns kennen die üblichen gut gemeinten Ratschläge, die man überall zu hören bekommt. Schlafzimmer nur 18°C, eine Stunde vor dem Schlafen gehen kein Smartphone oder TV mehr, etwas lesen, warme Milch trinken und und und.
Nun… ich hab das auch alles durchprobiert – auch Medikamente zum Einschlafen hatte ich jahrelang. Wirklich geholfen hatte nichts oder zumindest nicht so, wie ich es mir gewünscht hätte. Vor allem Schlaftabletten haben doch die ein oder andere unerwünschte Nebenwirkung.
Was für Nicht-Autisten sinnvoll sein mag, ist es bei Autistinnen und Autisten nicht unbedingt. Das mag daran liegen, dass wir Reize deutlich stärker bzw. ungefiltert wahrnehmen und auch daran, dass unser Gehirn ständig auf Hochtouren läuft. Runter kommen oder mal Nichts denken… für mich persönlich nicht machbar. Ich habe eigentlich nie einen Moment, in dem ich mal nicht nachdenke. Auch entspannen fällt mir sehr schwer. Gedanklicher Leerlauf sozusagen, wie es bei Nicht-Autisten wohl vorkommt, kenne ich nicht wirklich. Was genau dafür die Ursache ist, das können andere vielleicht besser beschreiben als ich. Ich für meinen Teil vermute, dass es ein Mix aus dem jahrzehntelangen Maskieren, dem ständigen nachträglichen analysieren von Gesprächen und Situationen, (Tages-)Abläufe vorausplanen, Reize die ich wahrnehme usw. ist. Kurz: Seit kleinauf kenne ich es nicht anders, als ständig „unter Strom zu stehen“ (RW).

18°C in der Wohnung oder gar im Schlafzimmer? Für mich der Garant für einen Overload. Ich friere dann zu sehr. Wer jetzt sagt, dann zieh dir halt mehr an oder nimm eine dickere Decke… nein. Ich ertrage Reize durch Kleidung auf der Haut nur schlecht. Deswegen laufe ich auch im Winter nur in weich fallenden Kleidern durch die Wohnung, die entsprechend auf 22-23°C beheizt ist. Sommer, wie Winter laufe ich daheim Barfuß. Socken sind mir ein Graus, was die Reize an den Zehen betrifft. Und beim Schlafen unter einer dicken Decke… dann überhitzt mein Körper zu sehr und im Gesicht spüre ich kalte Luftzüge… das alles sind Dinge, die mich nur noch unnötiger wach bleiben lassen und am Ende bin ich nur noch genervter. Probiert hab ich all diese Dinge über Wochen hinweg, falls ich mich doch daran gewöhnt hätte… nun ja… hab ich nicht und ich hatte den Vorteil, dass ich das alles allein für mich selbst probieren wollte.

Wenn dies nun einem Kind von außen so aufgezwungen werden würde, sähe das schon deutlich anders aus. Ein weiterer Punkt im Leben von Autisten, der Druck erzeugt… – dies ist nun wahrlich das Letzte, was wir brauchen. Daher einfach schauen unter welchen Bedingungen man am besten einschlafen kann. Diese sind so individuell wie Menschen eben unterschiedlich sind.

Deswegen liebe Eltern, wenn eure autistischen Kinder Einschlafprobleme haben… bedenkt vielleicht auch die Zimmertemperatur. Vielleicht fühlt sich das Kind in einem 2 Grad wärmeren Zimmer wohler und mag es vielleicht auch lieber, mit weniger Kleidung durch die Wohnung zu laufen. All dies kann Reize, die sich so über den Tag summieren unter’m Strich dann doch reduzieren, was dann wiederum die Anspannung am Abend insgesamt verringert und das Einschlafen erleichtert.

Auch bei einer gut geheizten Wohnung kann man durch Türen geschlossen halten oder Stoßlüften die Wärme ganz gut halten, wenn man es eben deutlich wärmer als der Durchschnitt mag. Meine Heizkosten lagen schon immer im unteren Bereich. Einfach mal schauen, wo man Stellen findet, wo Wärme entweicht. An hohen Türritzen hab ich im Winter immer ein aufgerolltes Handtuch hingelegt.

Meine Einschlafprobleme habe ich seit klein auf. Schon in jungen Jahren lag ich Abends oft 1-2 Stunden wach, weil die Gedanken nicht leiser werden wollten. Eine Gedanke jagte den nächsten, die Gedankenspirale drehte sich von einem Thema zum nächsten. Den Peak hatte das Ganze zu meiner Gymnasialzeit und in meinen Zwanzigern. Einer Zeit mit viel Schulstress, Umbruch- und Veränderungsphasen. Ich schlief pro Nacht nur etwa 4 Stunden und die nicht mal am Stück. Das ging mehrere Jahre so. Gesund war das wahrlich nicht, aber ich wusste damals auch noch nicht, dass ich Autistin bin und hielt das irgendwie für normal und das es eben vielen Menschen so gehe. Die Diagnose erhielt ich erst vor 9 Jahren mit 28.
Seit der Diagnose hab ich mich dann auch dem Problem des Schlafes intensiver gewidmet und so landete man unweigerlich auch bei den durch Ärzte verordneten starken Schlafmitteln. Diese helfen zwar eine kurze Zeit lang sehr zuverlässig beim Einschlafen, aber sind eben nichts auf Dauer. Der Körper gewöhnt sich rasch daran und braucht dann immer mehr für eine gleichbleibende Wirkung. Das Absetzen war dann auch nicht ganz so easy mit dem Wirkstoffentzug, daher lieber gleich die Finger davon lassen und falls es eben kurzfristig doch notwendig ist, um überhaupt mal wieder einen einigermaßen gesunden Schlafrhythmus zu bekommen, den Arzt nach weniger starken Mitteln fragen. Danach folgte ein nicht abhängig machendes Medikament, dies nahm ich 2 Jahre lang jeden Abend. Wirklich guter und erholsamer Schlaf war auch das nicht, aber zumindest mit weniger Überhang am nächsten Tag als durch die anderen ausprobierten stärkeren Schlafmittel. So kam ich immerhin auf 6 Stunden Schlaf und einen weniger müden Start in den Tag, dafür hatte ich aber fast jede Nacht Albträume, die ich mittlerweile klar dem letzten Medikament zuordnen kann.

Nebenbei machte ich in den letzten Jahren auch noch eine kognitive Verhaltenstherapie, die mir ebenfalls half, Stressoren herauszufinden und mich von diesen zu trennen. Nach dem erneuten Kontaktabbruch zu meinen Erzeugern ging es mir deutlich besser und auch der Umzug nach Frankfurt im August 2020 brachte noch einmal deutliche Besserung, weil ich nicht mehr mit meinen mich mit absichtlichen Lärm terrorisierenden Nachbarn über mir und der hellhörigen Wohnung leben musste.

Mein bis dahin halbwegs bewährtes Schlafprozedere war also: 22,5°C im Schlafzimmer, eine leichte Decke, leichtes Nachtshirt und Film oder Serie gucken zum Einschlafen. Reine Hörbücher haben bei mir eine schlechtere Wirkung, als Serie gucken und dann allmählich wegzuschlummern. Der optische Reiz hilft mir, von den reinen Gedankenkreisen etwas wegzukommen. Hierzu stelle ich aber den Monitor am TV, Tablet oder Smartphone auf eine niedrige Geräusch- und Helligkeitsstufe und ich stelle es so ein, dass das Gerät nach 1 Stunde von allein aus geht. Klappte nicht immer, aber oft bekam ich nicht mehr mit, wie sich das Gerät ausschaltete, weil ich bereits schlief.

Dann stolperte ich vor etwas mehr als einem Jahr auf youtube über das Thema ASMR.
ASMR steht für „Autonomous Sensory Meridian Response“. Was es wissenschaftlich damit auf sich hat, werde ich hier jetzt nicht näher drauf eingehen, sondern ich möchte euch erzählen, warum ich es vor allem auch für Autistinnen und Autisten eine durchaus gute Alternative zu Medikamenten halte, wenn es um das Thema schlafen geht, aber auch um negative Erregungszustände abzubauen. Ängste sind auch eine oft auftretende Komorbidität bei Autismus, auch hier denke ich, dass ASMR-Videos als ein weiterer Baustein hilfreich sein können.
Es scheint auf den ersten Blick nicht sehr logisch mit Geräuschen und weiteren Reizen für Einschlafhilfe zu sorgen, aber ähnlich wie ich tagsüber gern Musik auf Kopfhörern höre und mich so von anderen unerwünschten akustischen Reizen etwas abschirmen kann, so sind auch diese hier mit den ASMR-Videos selbst gewählt und dadurch doch ganz angenehm. Vorwiegend wird in den Videos geflüstert und die akustischen Reize wurden mit Bedacht produziert.

In den Videos mit oftmals über 1 Mio. Views (ich werde unten eine kleine Playlist mit verschiedenen ASMR-Videos die ich gut fand verlinken), schaffen es die Künstlerinnen – ja, meistens sind es Frauen – mit Hilfe von Geräuschen ein entspannendes Gefühl beim Hörer auszulösen. Sogenannte Tingles.
Viele ASMR-Künstlerinnen produzieren ihre Videos sehr aufwendig und so ist es keine Seltenheit, dass sie für ihre Rollenspiele ihre genutzten Gegenstände und Deko auch selbst herstellen. Die Videos sind oft einem bestimmten Thema gewidmet. Sie reichen von Beauty- und Spa-Behandlungen, bis hin zu Szenen als Ciri aus ‚The Witcher‘ oder Themen im Steampunk Setting. Es dürfte eigentlich für jeden ein passendes Genre geben.
Die Videos vermitteln ein Gefühl der Nähe, des sich kümmerns… ohne das man tatsächlich angefasst wird. Auch etwas, womit manche Autistinnen und Autisten Probleme haben. Es gibt auch Videos zu medizinischen Untersuchungen oder einem Besuch beim Friseur. Diese könnten vor allem bei autistischen Kindern dazu beitragen Ängste und vor allem auch Unsicherheiten vor solchen realen Besuchen abzubauen.

Für Menschen die sich öfters mal einsam fühlen, sind diese auch eine gute Möglichkeit, das angenehme Gefühl zu erhalten, dass sich jemand (virtuell) um einen kümmert. ‚Personal attention‘ heißt hier das Schlagwort. Ebenfalls bieten die Videos einen Leitfaden, wie man sich auch um sich selbst kümmern kann (z.B. Thema Gesichts- oder Haarpflege) und welche Schritte dies alles umfassen kann. Ihr merkt, diese Videos können für viele Bereiche hilfreich sein.

Jedenfalls kam es so, dass ich diese Videos immer regelmäßiger schaute. Zunächst, weil mich auch die Geschichten und Setups interessierten und irgendwann, weil ich tatsächlich merkte, dass mich diese Videos entspannter machten und ich das ein oder andere mal ohne Schlaftablette wegdämmerte. Nach einiger Zeit entschied ich mich dazu, ganz auf die allabendliche Tablette zu verzichten. Die Umstellung und Entwöhnung (einfach weil auch dies eine Routine geworden war) waren etwas holprig, aber im Nachhinein bin ich nun sehr froh, es so umgesetzt zu haben. Mittlerweile schlafe ich jeden Abend mit Hilfe dieser ASMR-Videos schon nach etwa 15-20 Minuten ein und insgesamt hat sich die Schlafdauer auf 7, manchmal sogar 8, Stunden verlängert und ich wache insgesamt auch weniger zwischendurch auf.

Hier achte ich darauf, dass mein Tablet auf die zweitniedrigste Lautstärke eingestellt ist, zu leise ist für mich auch nicht gut. Es muss gerade so laut sein, dass ich es gut höre und nicht nur reiner ‚Geräuschbrei‘ bei mir ankommt. Zu laut lässt mich dann wiederum zu konzentriert zuhören. Hier muss jeder eben für sich die richtigen Einstellungen finden. Kopfhörer nutze ich hierfür nicht.
Dann habe ich die Option am Tablet aktiviert, dass das blaue Licht gefiltert wird, dass alles einen warmen Farbton erhält und die Bildschirmhelligkeit hab ich dann auf niedrigster Stufe, damit ich nicht geblendet werde. Außerdem ist bei youtube das ‚auto play‘ deaktiviert und das Gerät geht nach dem einen Video auch automatisch in den Standby. (Insgesamt also auch stromsparende Optionen.) Es gibt nichts schlimmeres als gerade eingeschlafen zu sein und dann brüllt dir eine Werbung vom nächsten Video entgegen.
Dies ist übrigens auch etwas, worauf die guten ASMR-Artisten achten, dass sie ihre Videos so einstellen, dass die Werbung zu Beginn des Videos kommt und nicht mitten drin oder am Ende.

Oft schaue ich auch das gleiche Video mehrere Abende hintereinander, wenn ein Tag mal nicht gut lief oder ich etwas Vertrautes und für mich garantiert wirksames brauche. Meine 9-jährige Tochter schaut ebenfalls die Videos, auch bei ihr kann man dann förmlich zugucken, wie sie entspannter und müder wird. Mir selbst helfen sie z.B. bei einem Meltdown um auch tagsüber wieder ruhiger zu werden.

Mittlerweile gibt es auch Menschen die das Thema ASMR aufgreifen um ihr Handwerk zu zeigen. Journaling, malen, ein Buch binden, kochen oder Hausarbeit… ASMR erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Es ist thematisch sicher etwas für jeden dabei.
Einfach mal rumstöbern und versuchen, wenn sonst andere Optionen auch nicht zur Beseitigung der Schlafprobleme führten. Vielleicht sind ASMR-Videos auch für euch eine niedrigschwellige Lösung für dieses oder jenes Problem oder tragen zumindest zur Linderung bei. :-)


Kleine ASMR-Playlist (Link zu meinem youtube Kanal):
https://youtube.com/playlist?list=PLIpSIJJp0-bzMcUfB7xN4Mov_97KM_HML





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Interview

Dem Stadt.Land.Kind-Magazin gab ich vor einiger Zeit ein Interview.

Dieses könnt ihr online nachlesen: Interview
Themen hier u.a. #NoABA, Augenkontakt, UN-Behindertenrechtskonvention, spezielle Einkaufszeiten für Autisten und mehr…

In der Printausgabe (02/2019) erschien ebenfalls ein 2-seitiger Beitrag über mich und mein Leben mit Autismus.

 

Fachtag Rosenheim

Ihr Lieben,

am 16. + 17.11.2019 findet der 4. Fachtag von Autismus Rosenheim statt.

Am 17.11.2019 werde ich selbst einen Vortrag halten. Das Thema wird sein: „Autistischer Burnout – mögliche Ursachen und Lösungsansätze“
Ich werde dort u.a. aus meinem eigenen Erleben berichten.

An Tag 1 bin ich ab Nachmittag ebenfalls schon vor Ort – vielleicht ergibt sich das ein oder andere nette Gespräch.

 

 

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Freundschaften

Ende letzten Jahres stellte ich auf Twitter eine Frage über Freundschaft – von den Reaktionen und der Teilnahme war ich überwältigt. Wer den Tweet anklickt, kann auch selbst einmal die ganzen Kommentare lesen. :-)

 
Aus genau jenem Tweet ergab es sich, dass das ‚Supernovamag‘ auf mich aufmerksam wurde und mich kontaktierte, ob ich nicht einen Text darüber schreiben wolle.
Ich stimmte zu.
Auf den Text wiederum erhielt ich erneut viel Anteilnahme und positiven Zuspruch. Dafür bin ich sehr dankbar!

Und hier geht es nun entlang zu meinem Text auf der Webseite von Supernova:

‚Als Autistin Freundschaften knüpfen‘

 
 
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Man Made Epidemic – Ein Rückblick

Das Thema hat seither nichts an Aktualität verloren. Noch immer verbreiten Menschen ziemlichen Blödsinn zum Thema Autismus – z.B. Impfungen würden Autismus auslösen. Diese Behauptung stimmt natürlich nicht!
Daher nun auch zum dauerhaften Nachlesen unsere Eindrücke von damals.

Ein Rückblick in den Juni 2018. Mela Eckenfels (Twitter @Felicea) und ich besuchten an diesem 25. Juni eine öffentliche Vorführung des Filmes ‚Man Made Epidemic‘ in Heidelberg, mit anschließender Frage-/Diskussionsrunde mit Paul Shattock und den Anwesenden. Glücklicherweise verirrten sich nur wenige zu dieser Veranstaltung.

Mela hatte während der Veranstaltung live mitgetwittert und dazu später 3 Blogposts veröffentlicht. Ich achtete während der Vorführung des Filmes hauptsächlich auf die Rhetorik, um später in der Diskussionsrunde darauf eingehen zu können. Solche Aussagen können schließlich nicht unkommentiert stehengelassen werden. Leider war man uns beiden (Mela und mir) gegenüber sehr voreingenommen, als wir uns kritisch zu den gezeigten Dingen oder falschen Tatsachen im Film äußerten.

Die anwesenden Mütter von Autisten hatten ihre vorgefasste Meinung. Da konnte ich wenig ausrichten. Ich als Autistin mit Asperger-Diagnose könne doch gar nicht wissen, wie es ‚echten‘ Autisten gehe. Sie als Eltern würden leiden, die Kinder würden leiden… Leid, leiden… – ich bin es leid, so etwas zu hören. ‚Schwerer‘ Autismus gegen vermeintlich ‚milden‘ bzw. ‚leichten‘ Autismus.
Was ein Blödsinn und unsinnige Spaltung.

Ich schrieb es schon an anderer Stelle in diesem Blog:
Den hochfunktionalen Autisten werden ihre Schwierigkeiten abgesprochen und den niedrigfunktionalen wird hingegen zu wenig zugetraut.

Mela gab ihr Fachwissen zu Gute und nahm den Film und die darin enthaltenen Behauptungen auseinander, ich versuchte es zusätzlich auf der menschlichen Ebene und gab Einblicke in mein Leben als Autistin.
2 andere Anwesende/Interessierte konnten wir immerhin zum kritischen Nachdenken anregen. Allein dafür hat es sich gelohnt, das wir dort waren.

Melas Tweetsammlungen:
Man Made Epidemic – Live mitgetwittert
Man Made Epidemic – Nachtgedanken
Man Made Epidemic – Rekapitulation

Anstrengend war der Abend in jedem Fall – auch mir hat es viel abverlangt, auch wenn man es mir nicht direkt anmerkte:

 
Leider bleibt dann im Nachhinein sowas auch nicht aus… Die Vorsitzende war eine der anwesenden Mütter.

 
Zusammenfassend kann man sagen:

 
Wie es der Zufall so wollte…

 
 
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vom Loslassen und nach vorn sehen

Mein letztes Jahr und auch noch einige Monate davor waren sehr troubelig, heftig und manchmal auch sehr dunkel. Aber mittlerweile geht es mir im Vergleich dazu deutlich besser. Ich habe mich persönlich ziemlich weiterentwickelt und viele wertvolle Erkenntnisse über mich gewonnen. Über meine Stärken, aber auch über meine Schwächen. Ich habe im vergangenen Jahr viel erreicht und klare Ziele vor Augen. Diese betreffen nicht nur das Jahr 2019, sondern sind auch längerfristig gesetzt.

Aber zunächst zum Blick nach vorn:

Wie ihr sicher schon festgestellt habt, habe ich noch im letzten Jahr die Webseite inhaltlich etwas umstrukturiert. Der Fokus liegt nun deutlicher auf der Fotografie. Aber keine Sorge, Autismus wird hier weiter Thema bleiben. Ich verbinde nun einfach beides miteinander. Das bin schließlich ich. Und ich fühle, dass ich in dieser Kombination besser aufklären und Menschen erreichen kann.
Ich bleibe weiterhin Aktivistin und kämpfe für bessere Bedingungen für Autisten.
Ich bin nach wie vor ganz klar gegen ABA!
Allen voran aber setze ich mich auch für bessere Unterstützung und passende Hilfen für uns Autisten ein. Es kann nicht sein, das wir, die noch in alter Kategorie die Diagnose „Asperger-Syndrom“ erhielten, nicht ernst genommen und unsere Probleme bagatellisiert werden.
Glücklicherweise gibt es nun diese Unterteilung in diese Schubladen ‚leicht‘ und ’schwer‘ betroffen aka Asperger-Syndrom vs. Kanner-Autismus offiziell nicht mehr. Wir alle befinden uns im Autismus-Spektrum. Jeder von uns hat seine Schwierigkeiten, aber auch seine eigenen Stärken und dennoch haben wir so vieles gemeinsam! Es ist unangebracht Autisten so gegeneinander auszuspielen und immer wieder zu behaupten, man könne ja nicht für diese oder jene sprechen.

Was wir können ist klar: Wir können unser Erleben nach Außen tragen. Im Grunde haben wir alle sehr ähnliche Hürden zu meistern und begegnen Vorurteilen. Die einen werden oft unterschätzt, die anderen überschätzt. Beides ist gleich schlimm und schädlich. Fehlende Inklusion. Druck auf Anpassung und Kompensation. Ich habe selbst erlebt, wie zerstörerisch das sein kann.
Die die können, die setzen sich auch für die anderen mit ein. Die die das nicht können, können unterstützen. Jeder auf seine Art.

Das was ich im letzten Jahr leider als sehr negativ erlebt habe: Das Rumnörgeln an denen die etwas tun. An denjenigen, die sich da raus wagen und gegen den Wind stellen. Dem standzuhalten kostet immense Kraft und so manches mal fragt man sich: ‚Warum tue ich mir das eigentlich an?‘ – doch dann kommen immer wieder die kleinen und großen Erfolgsmomente. Das ist was einem immer wieder Kraft gibt. Man tut das nicht (nur) für sich, dafür ist das System vermutlich zu schwerfällig. Aber Aktivisten ebnen den Weg für diejenigen, die nach ihnen kommen.
Was nicht hilfreich ist, ist das Jammern und nichts tun. Wenn ihr nicht damit einverstanden seid, was und wie Aktivisten etwas tun, dann macht es selbst anders. Werdet zu einem Vorbild. Durch ‚Nichts-tun‘ hat sich noch nie etwas nachhaltig verändert. Das betrifft so viele Bereiche des Lebens.
Ich wünsche mir, dass dies endlich in den Köpfen vieler Menschen ankommt.

Im vergangenen Jahr nährte sich ebenfalls die Idee, dass ich gerne eine Ausstellung machen möchte. Das möchte ich dieses Jahr nun konkreter werden lassen. Thema und Art werde ich dann, wenn es soweit ist, natürlich hier auf meiner Webseite bekanntgeben. Ob das letztendlich 2019 noch stattfinden wird, kann und möchte ich nicht versprechen, aber ich werde mich diesem Ziel einer Ausstellung deutlicher annähern.

Ich habe mir vorgenommen nun auch wieder mehr Yoga zu machen und einige Kilos, die depressionsbedingt hinzukamen, wieder abzutrainieren. Ich möchte mehr Ruhe in mir selbst finden. Yoga ist für mich da das beste Hilfsmittel zum abschalten. Ich habe begonnen meinen Lebensstil ernährungstechnisch und auch generell zu verbessern. Ende vergangenen Jahres habe ich auch dafür schon den Grundstein für eine solche Veränderung gelegt. 6kg sind seit Mitte November bereits runter, 17 more to follow. Werde ich schaffen, da glaube ich fest an mich. Auch dieses Ziel habe ich klar vor Augen.

Mein Rückblick auf 2018:

Tjoa… nicht so einfach darüber zu schreiben, aber ich betrachte es als Teil des Loslassens.
Ich fange mit den eher unschönen Dingen an, die mich doch sehr geprägt, aber letztendlich auch persönlich weiter voran gebracht haben. Sie haben mir klar meine eigenen Schwächen aufgezeigt. Und zumindest dafür bin ich dankbar.
Ich bin nicht mehr frustriert oder verärgert über diese Verhaltensweisen mir gegenüber. Es sind Menschen, die wohl einfach nicht anders können.
Aber ich habe mich Ende letzten Jahres dafür entschieden, dass sich diese Lebenswege trennen. Umgangssprachlich würde man wohl sagen: Sie haben es richtig verkackt. Chancen immer wieder weggeworfen und Vertrauen mehrfach missbraucht. Konsequenz: Diese Menschen haben keine Zukunft mehr in meinem Herzen.

Abschließen werde ich den Blogbeitrag hier dann selbstredend mit den positiven Dingen aus dem letzten Jahr.

Das Jahr begann ziemlich dunkel. Der Oktober 2017 war noch nicht lang her. Ich erlebte in jenem Oktober einen ziemlich heftigen Autistischen-Bournout. Jahrelange Kompensation und ‚Maske tragen‘ haben ihren Tribut eingefordert. Nichts ging mehr. Ein Grund warum mir #DieMaskeAbnehmen (Link zu meinem Blogtext) so wichtig ist!

Seither habe ich viel an mir gearbeitet und mir professionelle Hilfe gesucht, für die ich sehr dankbar bin! Ich bin froh, dass mir das alles so gut hilft. Ich habe mich viel besser kennen- und verstehen gelernt in all den Monaten. Es war und ist nicht leicht, in seiner Vergangenheit zu graben, zu akzeptieren was einen bisher (unbewusst) beeinflusst hat – wer man heute ist, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen – und dann harte und sehr verändernde Entscheidungen zu treffen. Auch sich selbst in seinem Verhalten und Denken zu hinterfragen und zu verändern.
So wie mein Leben war konnte es nicht weitergehen. Da sind einige Tränen in Therapiesitzungen geflossen, als so manches unerwartet und plötzlich an die Oberfläche kam. Spannend ist, dass man in solchen Therapiegesprächen mittels professioneller Anleitung sich selbst hilft. Seinen eigenen Weg und Lösungen dafür findet. Bisher gemachte Erfahrungen treten wieder mehr an die Oberfläche, die mit der Zeit in Vergessenheit gerieten oder auch absichtlich verdrängt wurden, weil sie besonders weh taten. Aber auch zwischen den Stunden kamen die Tränen immer mal wieder, immer dann wenn man das Aufgewühlte letztendlich akzeptiert und verarbeitet. Man (verdrängten) Emotionen endlich einen Namen geben kann und Ursachen bzw. Auslöser erkennt. Es zulässt, sich zu öffnen und sich dem inneren Schmerz zu stellen. Es war wichtig und richtig für meine persönliche Weiterentwicklung.

An solch einem Punkt war ich vor etwa 2 Jahren auch schon einmal und ich habe versucht Dinge zu ändern. Manches klappte, anderes nicht so richtig. Ich wusste schlichtweg auch nicht wie und mir fehlten die nötigen ‚Werkzeuge‘. Nun mittels professioneller Hilfe klappt das alles viel gezielter und auch besser.
So habe ich mich nun auch mit Hilfe dieser Unterstützung von toxischen Menschen in meinem Leben getrennt. Allen voran von meinen Erzeugern. Mehr sind sie nicht mehr für mich. Die Entscheidung war lange überfällig, aber auch sehr richtig. Mit nun über 30 Jahren habe ich endlich die Stärke, mich gegen solch destruktiven physischen und psychischen Missbrauch zu wehren! Es war eine der besten Entscheidungen des vergangenen Jahres. Eine gewisse innere Heilung begann sofort. Eine Narzisstin als Mutter zu haben ist ein ziemlicher Albtraum der nie aufhört. Grenzen werden nicht respektiert und permanente Unterordnung wird gefordert, ich musste immer ’spuren‘. Liebe und Mitgefühl, sowie Verständnis fehlanzeige. Meine Bedürfnisse wurden nicht ernst genommen. Gaslighting kommt ebenfalls immer wieder vor. Meine Autismus-Diagnose hatten beide Elternteile bis heute nicht akzeptiert. Für die eigene psychische Gesundheit hilft nur eine klare Trennung. Null Kontakt zu solch manipulativen Menschen.
Es ist ein ziemliches Tabu-Thema in unserer Gesellschaft. Schnell kommt: ‚Aber es sind doch deine Eltern.‘ …das mag auf dem Papier so sein. Man muss aber verstehen, dass ein solcher Kontaktabbruch innerhalb der Familie niemals eine leichte Entscheidung ist und auch nicht aus irgendeiner Laune heraus getroffen wird. Dem geht ein jahrelanger Leidensdruck voraus. Zum Glück habe ich aber auch Verständnis für diese Entscheidung innerhalb der weiteren Verwandtschaft bekommen. Ich habe nun den Kreis der destruktiven Verhaltensweisen in dieser Familie durchbrochen. Ich mache es anders! Ich zeige meiner Tochter das es auch anders geht. Weg von Manipulationen und Gewalt – egal in welcher Form.
Mein Weg ist der der Herzenswärme, des Respekts, der Ehrlichkeit, des Vertrauens und des Mitgefühls.

Das andere war ein Mensch, von dem ich viel zu lange dachte, er wäre mein Freund. Ich leider viel zu lang um diese Freundschaft kämpfte, loyal war, zu gutmütig und immer wieder nachsichtig trotz all der immer wiederkehrenden Respektlosigkeiten mir gegenüber – sicher mitbegründet durch mein Aufwachsen in toxischen Familienverhältnissen, war ich zunächst unfähig mich richtig zu wehren und abzugrenzen. Ich habe zwar immer wieder gemerkt, dass das so nicht richtig sein kann, mir nicht gut tut – aber emotional hatte ich Schwierigkeiten mich klar dagegenzustellen. In dieser ‚Freundschaft‘ nun wurde mir gezielt eingeredet, ich sei ein böser Mensch, wolle denjenigen immer wieder absichtlich verletzen und kränken. Das ich das alleinige Problem und mein Autismus eine Bürde für diesen Menschen sei. – Warum ich damals nach allein dieser Aussage nicht schon schreiend weggelaufen bin, weiß ich nicht so recht. Vermutlich war ich einfach zu gutmütig und hatte die Hoffnung, dass die Person Autismus wohl doch irgendwann mal ein wenig verstehen könne. Aber wahrscheinlich hat es dieser Mensch nicht einmal wirklich versucht, denn letztlich wurde sogar der Autismus gegen mich verwendet und es wurden von mir im guten Glauben und Vertrauen kommunizierte Schwächen, gezielt ausgenutzt. Ziemlich perfide!
Es wurde oft Streit vom Zaun gebrochen (RW), anstatt vernünftig mit mir zu reden. Ich wollte es lange Zeit nicht wahrhaben, dass dieser Mensch wirklich so ist. Etwas, das Autisten vermutlich häufiger passiert. Gehen wir doch oft davon aus, dass unser Gegenüber genauso direkt und ehrlich kommuniziert, wie wir selbst. Zumindest erhofft man sich das von seinen Freunden. Und weil ich froh war über einen weiteren Menschen in meinem Leben, hielt ich weiter an dieser ‚Freundschaft‘ fest und habe Machtspielchen und Beschimpfungen über mich ergehen lassen. Wenn ich etwas kritisch ansprach hieß es dann ‚ich hätte einen Knall‘, ’sei gestört‘, ’solle mich mal untersuchen lassen, was denn mit mir nicht stimme‘ etc. – irgendwann fing ich an das auch zu glauben. Ironischerweise war aber ich diejenige, die schon eine Therapie in Anspruch nahm. Nach einer Weile kam dann auch der Punkt, an dem ich nicht mehr so mit mir umspringen lassen wollte. Sicher auch ein Resultat der bisherigen erfolgreichen Therapie. Ich wurde selbstbewusster!
Dank therapeutischer Hilfe ist mir bewusst geworden, dass das keinesfalls und vermutlich auch zu keinem Zeitpunkt je eine gesunde Freundschaft war. Oberflächlich war dieser Mensch recht charmant, nett, eloquent und mitfühlend – in der Tiefe aber emotionslos, ohne Gewissen und Reue. Letztlich gab es bei genauerem Hinsehen viele ‚Red Flags‘, wenn man diese denn (er-)kennt. Das kann ich nun. Mittlerweile ist sehr klar und deutlich geworden, dass ich da wohl von einem vermutlichen Soziopathen (auch dissoziale Persönlichkeitsstörung genannt) manipuliert und beeinflusst worden bin. Den wenigen guten Momenten habe ich deutlich mehr Gewicht gegeben, als den vielen negativen. Es gab nie wirklich die gleiche Augenhöhe.
Kurz: Ich hatte meinem Bauchgefühl nicht mehr vertraut.

Ich bin heute sehr froh darüber, dass ich mich emotional auch von dieser Person hab lösen und distanzieren können. Ich werde in der Therapie weitere Stärke und Strategien gegen solch destruktive und negative Menschen mit solchen Verhaltensweisen erarbeiten und entwickeln, wurde ich doch schon seit Kindheitstagen immer ‚klein‘ gehalten. Aber das hat nun alles ein Ende. Ich trete mehr für mich und Respekt mir gegenüber ein. Ich werde mein Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein weiter nach oben schrauben.
Ich bin schließlich nicht verantwortlich für deren eigene verdrängte und unaufgearbeitete Vergangenheit, nicht verantwortlich dafür, dass sie dem nicht standhalten können, wenn sie mit sich selbst und dem eigenen Verhalten konfrontiert werden. Ich sprach z.B. nicht nur einmal mir falsch vorkommendes Verhalten an… Dessen Ergebnisse waren dann Verdrängung der Tatsachen und verdrehen der Realität, verbale Angriffe und weitere toxische Verhaltensweisen. Jetzt kann ich mich dagegen wehren. Ich hab mich nicht in die hilflose Opferrolle begeben, sondern dann selbst aktiv etwas geändert. Ich hatte gemerkt, dass ich da ohne entsprechende Hilfe emotional nicht alleine raus komme. Die Therapie hat mir dabei sehr geholfen, zu erkennen das ein solches toxisches Verhalten – egal welchem Menschen gegenüber – niemals gerechtfertigt ist. Ich mir selbst wieder mehr wert sein und gehen muss. Das habe ich getan. Letztlich war es der gleiche Schritt wie bei meinen Erzeugern. Zeitlich fiel diese Abgrenzung auch recht nah zusammen. Es war ein Prozess in mir, den ich durchmachen musste. Was will ich noch in meinem Leben und was will ich nicht mehr?

Solche Personen schaden ihrem Umfeld akut. Man kann nur anraten einen großen Abstand zwischen sich und diese toxischen Menschen zu bringen. Sie werden sich vermutlich nie ändern. Sie wollen schließlich nicht wahrhaben, was falsch läuft. Schuld haben immer nur die anderen. Sie übernehmen keine Verantwortung für ihr Handeln. Ein Perspektivwechsel ist ihnen kaum möglich. Dir werden immer wieder alte Sachen vorgeworfen, von denen sie sich schon früher angeblich absichtlich verletzt gefühlt haben. Verzeihen können solche Menschen nicht. Es werden Versprechungen gemacht, die nicht eingehalten werden. Man fühlt sich immer wieder schlecht im Umgang mit solch einem Menschen, man ist immer auf der Hut. Muss aufpassen, was man sagt. Ich als Autistin war immer wieder gezwungen zu kompensieren. Es ist reine Negativität. Ein Energiefresser. So etwas brauche und will ich nicht mehr in meinem Leben!

Aber auch trotz dieser sehr negativen Erlebnisse glaube ich weiterhin an das Gute in Menschen. Es gibt sie. Das habe ich in besagtem Oktober auch erleben dürfen. Eine Lebenserfahrung die ich nie wieder vergessen werde.

Ich hatte auch das Glück im vergangenen Jahr tolle Menschen (besser) kennengelernt und getroffen zu haben. Ihr alle wisst wer ihr seid!
Auch ein großes Dankeschön für all die tollen Online-Kontakte aus der Autismus-Community. Autisten und auch einige Angehörige. Es ist schön zu spüren nicht allein zu sein und verstanden zu werden, ohne sich groß erklären zu müssen. Das alles macht mir Mut und gibt Kraft. Ich habe auch viele positive Rückmeldungen über mich bekommen. Das Menschen gerne mit mir Zeit verbringen. Gerade unter dem Erlebnis mit der ungesunden ‚Freundschaft‘ tut so etwas der Seele gut.

Im Januar diesen Jahres wollte es das Schicksal so, dass mein Tattoo-Termin für eines am Handgelenk genau auf den 5. Geburtstag meiner Tochter fiel. Geplant war er ursprünglich zwischen den Feiertagen des Vorjahres, aber meine Tätowiererin war krank geworden. Ich fand den neuen gefunden Termin dann sogar sehr passend. Ist es doch ein besonderes Tattoo mit sehr emotionaler und tiefer Bedeutung für mich. Ich habe es auch selbst entworfen. In gewisser Weise war und ist es auch ein Zeichen für all die bereits geschehene und noch weiter kommende Veränderung in mir. Jedes mal, wenn ich dieses Tattoo betrachte, weiß ich, was ich alles im Stande bin zu erreichen. Aus meinem tiefsten Inneren heraus. Es weist mir meinen Weg zu mir selbst. Das hat mir über das Jahr auch sehr geholfen.
Beste und liebenswerteste Tätowiererin: „Just B Tattoos“ Heidelberg (Facebook).

Überhaupt habe ich 2018 meine Comfort-Zone immer wieder verlassen. Zum einen durch die Therapie, aber auch durch meinen eigenen Willen.
Auf dem Literaturcamp in Heidelberg im Sommer z.B. habe ich zum ersten Mal in meinem Leben einen öffentlichen Vortrag gehalten. Zusammen mit Inga Marie Ramcke (@ingamarieramcke) und Lars Fischer (@fischblog) sprachen wir über „Wissenschaft für Kinder“. Zwar recht spontan, aber letztlich war es eine wundervolle Erfahrung, die ich nicht missen möchte! Ihr beide seid wunderbare Menschen. Auch das gab mir eine ordentliche Ladung mehr Selbstvertrauen. Das Ganze gibt es auch auf Youtube in der Playlist vom Literaturcamp zu sehen.

Mein absolutes musikalisches Highlight war das neue und lang erwartete Album ‚Antidoron‘ von Neuroticfish. Es läuft seit Veröffentlichung im Dezember komplett in Dauerschleife. Eine gelungene Platte, die in ihrer Gänze auf eine Reise durch die Gedanken- und Gefühlswelt mit all ihren Emotionen führt. Etwas was du ganz genau verstehst und nachempfinden kannst, wenn du selbst einmal den Kampf gegen Depressionen angetreten hast.
Bereits im März 2015 habe ich eine Rezension zu einem Neuroticfish Song (Somebody vom Album ‚A Sign of Life‘) geschrieben. Nachlesen könnt ihr diese >hier< auf meiner Webseite.
Durch das aktuelle Album hab ich in den letzten Wochen wieder richtig Muße auf Musik bekommen. Ganz unweigerlich wippt irgendein Körperteil mit. Dieses Gefühl hatte ich schon lange nicht mehr… Danke!
Meine 3 Favoriten sind: Walk Alone, Hold of me und What is wrong.
Fazit: Hammer Brett das ihr da hingezaubert habt, Jungs! Textlich und musikalisch.
Wer in das Album mal reinhören mag, der kann das hier via Bandcamp: Neuroticfish – Antidoron tun.

Ich hab mich im vergangenen Jahr mit viel Papierkram herumschlagen müssen, obwohl das doch mein persönlicher Endgegner ist. Seit Februar 2018 bin ich auch endlich rechtskräftig geschieden. Ich habe mich allen Herausforderungen des Jahres als Alleinerziehende erfolgreich gestellt. Habe Steine, die mir von Außen und unnötigerweise in den Weg gelegt wurden, nicht nur umlaufen, ich bin auch daran immer mehr gewachsen. Letztendlich bin ich doch sehr stolz auf mich, was ich 2018 alles geleistet habe!

Ebenfalls habe ich mich auch immer wieder getraut, fremde Menschen anzusprechen, wenn der erste Eindruck positiv und offen auf mich wirkte. Sich Blicke kreuzten und ein Lächeln da war. So hab ich im Sommer auch eine mittlerweile gute Freundin in einem IC kennengelernt und hatte nun Silvester mit ihr verbracht. Aber auch auf der Hinfahrt zu ihr habe ich ebenfalls wieder Jemanden in einem EuroCity angesprochen. Es ergab sich spontan so und wir hatten ein schönes Gespräch. Kurz vor dem Ausstieg fragte ich dann einfach nach der Mailadresse. Mal sehen, was daraus vielleicht wird. Eine liebe Antwortmail habe ich jedenfalls gestern erst erhalten. :-)

Ich habe mit der Zeit meinem Umfeld auch immer deutlicher kommuniziert was meine Bedürfnisse und auch Grenzen sind. Ich bin meinem ‚Ich‘ welches durch jahrelange Kompensation und der Maske ’nicht autistisch zu wirken‘ immer mehr verloren ging, nun endlich ein gewaltiges Stück näher gekommen. Ich bin im Vergleich zu vor einem Jahr auch deutlich zufriedener und glücklicher in meinem Leben. An meiner finanziellen Situation hat sich zwar nichts verändert, aber auf Geld kam es mir sowieso noch nie an. Das was mich glücklicher und zufriedener macht, ist vor allem Selbstakzeptanz und das Vertrauen in mich selbst. Ich bin auf dem richtigen Weg.

Den Weg, den ich 2019 weiter gehen werde.

Header-Foto habe ich im Schloss Versailles aufgenommen.

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#DieMaskeAbnehmen

Man macht(e) mir oft das vermeintliche Kompliment: „Man merkt dir gar nicht an, dass du Autistin bist.“
Sicher ist es von meinem Gegenüber lieb gemeint, doch negiert es dann im zweiten Gedanken auch schnell die Probleme, die ich tatsächlich durch meine Behinderung habe. Und so ganz freiwillig ist das auch alles nicht mit dem Maskieren. Schließlich sieht niemand durch all das, wie sehr ich so manches mal durch die Umgebung / anderen Menschen an meine Grenzen komme.

Was mir auch gern an den Kopf geworfen wird (RW): „Ich hätte gar keine Ahnung, wie es ‚echten‘ Autisten so gehe.“ Ich hätte also gar kein Recht etwas über diese „schwer Betroffenen“ zu sagen. Und dies nur, weil ich nach außen hin nicht autistisch wirke. Weil… ich sei ja gar nicht so wie ‚die‘.
Fluch und Segen zugleich, eine unsichtbare Behinderung zu haben und diese selbst (zwangsläufig) noch zu verstärken.
Ich komme zwar auf den ersten Blick unauffälliger durch’s Leben, aber wenn ich dann zeige und kommuniziere was mir Probleme bereitet, wird mir nicht geglaubt… ich würde mich nur anstellen oder aber mir würde es um Aufmerksamkeit und eine Sonderbehandlung gehen.
Das muss aufhören. Es verursacht Probleme mit weitreichenden psychischen Folgen.

Maskierst du, bist du kein richtiger Autist. Maskierst du nicht, strengst du dich nur nicht genug an.

Ein fürchterlicher Zwiespalt der zur Folge hat, dass nichts was du tust ‚richtig‘ ist. Viele haben ihr Klischee-Bild von Autismus im Kopf, geprägt durch schlechte Darstellungen in Filmen oder anderen Medien. Diesem Klischee entspreche ich jedenfalls nicht. Bin ich ein IT-Genie? Nein. Bin ich ein total verschrobener Sonderling? Nein. Lebe ich in meiner eigenen Welt? Ganz bestimmt nicht! Sind mir meine Umwelt und meine Mitmenschen egal? Nein, überhaupt nicht. Das letzte was ich bin, ist ein gefühlskalter Roboter.

Doch warum maskieren Autisten?
Das Maskieren ist etwas Erlerntes. Durch viele gemachte Erfahrungen, die nicht wirklich angenehm oder positiv waren. Durch Ausgrenzung, Erziehung und / oder dem Wunsch irgendwo dazu zugehören. Durch das alltägliche Umfeld, durch Blicke und Worte. Durch Unverständnis, Unfairness und Ungleichbehandlung. In Schule, Beruf und auch ganz allgemein.
Man wünschst sich akzeptiert zu werden so wie man ist, doch sieht leider die Realität von Autisten oftmals anders aus.

Man maskiert vielleicht aber auch, weil noch gar keine offizielle Diagnose vorliegt und man selbst noch gar nichts von seinem Autismus weiß und sich so gut es eben geht, durch das Leben wurschtelt ohne groß anzuecken.
Oder aber die Diagnose ist noch frisch und eine erste Phase danach kann sein… ‚Nein, ich bin nicht behindert, ich bin ganz normal‘ oder das (familiäre) Umfeld wünscht das vom Autisten.
Das fängt dann schon im Kleinkindalter an, dass manche Eltern nach einer frischen Diagnose und weil schnelle und gute Hilfen momentan nur schwer zugänglich / kaum vorhanden sind, dann vermeintlich vielversprechenden Therapie-Werbungen glauben schenken, weil sie dem Kind (und sich selbst) ein ’normales Leben‘ wünschen.
Durch ABA (Applied Behavior Analysis) zum Beispiel sollen Kinder durch permanente Reize und Üben dazu gebracht werden, vom Autismus ‚geheilt‘ zu werden.

Doch was tatsächlich der Fall ist? Die Kinder beginnen zu maskieren. Das sieht von außen natürlich wie Fortschritt oder gar Heilung aus.
Warum tun die Kinder das? Um dem permanenten Druck (bis zu 40h pro Woche ABA) zu entgehen. Sie merken das so wie sie sind, eben nicht richtig sind und ihre Eltern sie womöglich nicht so akzeptieren… Kinder lieben ihre Eltern – sie sind abhängig von ihnen. Also wird das Kind sich bemühen den Forderungen nachzukommen, um seine eigene Existenz zu sichern.

Was bleibt? Anpassung so gut man kann. Bis man nicht mehr kann.

Ich selbst kam gegen Ende letzten Jahres an den Punkt, an dem es so nicht weitergehen konnte. Ich bemühte mich jahrelang zu kompensieren und zu maskieren. Niemand sah meine Anstrengungen. Sicher, ich bekam meine Diagnose erst vor fünfeinhalb Jahren mit 28, aber auch vorher schon maskierte ich… ich hatte nur keinen Namen – nämlich Autismus – für die Ursache. Ich merkte schon im Kindesalter selbst, dass ich anders bin.
Ich bekam es ständig zu spüren. Und so funktionierte ich all die Jahre und versuchte so ’normal‘ wie möglich zu sein. Eine immense Aufgabe die unmengen an Energie frisst. Bis dann im vergangenen Jahr die Fassade zu bröckeln begann und ich immer weniger ’normal‘ funktionierte.

Man kann sagen, mein Autismus wurde stärker – das stimmt so natürlich nicht – denn er wurde nur einfach sichtbarer.

Dann eines Tages im vergangenen Jahr ging gar nichts mehr. Ich zog die Notbremse.
Ich lerne nun mehr ich selbst zu sein. Wieder mehr meine eigenen Grenzen wahrzunehmen und nicht permanent darüber zu gehen. All das was jahrelanges Maskieren anrichtet ist nicht hilfreich, wenn es um ein glückliches und zufriedenes Leben geht.
Was bin ich und was ist die Maske? Wer bin ich ohne diese?
Dies sind ebenfalls Veränderungen im Leben von Autisten, die schwierig und emotional schmerzhaft sein können.
Jahrelang sich selbst oder von außen antrainiertes Verhalten nun abzulegen oder zu ändern, das braucht ebenfalls Zeit (und je nach eigenem Bedarf auch eine kognitive Verhaltenstherapie). Doch was ebenfalls wichtig ist, ist das Verständnis und die Akzeptanz der Gesellschaft um uns herum.

Aus diesem Grunde wurde vor kurzem der Hashtag #TakeTheMaskOff ins Leben gerufen.
Das Ziel ist es, Verständnis und Akzeptanz zu fördern.
Englischsprachige Autisten berichten von ganz normalen und alltäglichen Situationen in denen sie maskieren und warum sie das tun. Wir hoffen damit stetig und mehr zur Aufklärung beitragen zu können, sodass Maskieren irgendwann einmal nicht mehr notwendig sein muss.
Das Maskieren ist kein Problem von einigen wenigen, sondern es betrifft die große Mehrheit aller Autisten – egal auf welchem Flecken der Erde sie leben.

Ich habe die am 31.07.2018 erschienene Studie „Risk markers for suicidality in autistic adults“ (Link) zum Anlass genommen, den Hashtag in den deutschsprachigen Raum zu übernehmen. Daraus entstand #DieMaskeAbnehmen

In dieser Studie geht es darum, welchen Einfluss das Maskieren auf das Leben von Autisten hat. Die Ergebnisse sind erschreckend:
„A majority of autistic adults (72%) scored above the recommended psychiatric cut-off for suicide risk on the SBQ-R; significantly higher than general population (GP) adults (33%).“ und „Camouflaging and unmet support needs appear to be risk markers for suicidality unique to ASC.“

Es geht in dieser Kampagne darum, falsche Vorstellungen in den Köpfen unserer Mitmenschen abzubauen. Das unmaskiertes Verhalten keine Boshaftigkeiten sind, sondern einfach nur Reaktionen auf unsere Umwelt und ihre vielen Reize.
Es soll niemand dafür verurteilt werden, weil er eine Maske trägt, sie nicht abnehmen kann oder es auch gar nicht will! Ziel ist die Aufklärung.

Ich selbst habe für mich entschieden, ganz besonders nach meinen Erlebnissen Ende letzten Jahres, dass ich weit weniger maskieren will, als ich es in der Vergangenheit tat. Der Preis ist mir viel zu hoch. Ganz privat klappt es nun immer besser, doch in der Öffentlichkeit noch nicht so. Hierzu fehlt es auch noch an Sensibilität, was Autismus eigentlich ist.
Nicht (mehr) zu maskieren ist nicht einfach. Es macht verletzlich. Angreifbar.

Doch wenn niemand diese kleinen aber stetigen Schritte geht, dann ändert sich auch nichts! Wessen ich mir sicher bin, ist der Rückhalt durch andere Autisten. Jeder von uns kennt diese Situationen. Ein weiterer Grund warum ich nun offen damit umgehe.

Teilt euch mit. Nutzt den Hashtag #DieMaskeAbnehmen oder in Englisch #TakeTheMaskOff.
Selbstverständlich sind auch Nicht-Autisten zur Unterstützung dieser Kampagne eingeladen. Verbreitet das Wort. Klärt auf, was wir Autisten wünschen und brauchen.

Die Folgen dauerhaften und permanenten Maskierens sind inakzeptabel. Versuchen wir gemeinsam durch Aufklärung die Welt leichter und angenehmer für uns zu machen.

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Wenn du nicht ernst genommen wirst…

Mittlerweile ist dieses Trauma genau 5 Jahre her und ich habe nun den Mut gefunden, auch öffentlich darüber zu sprechen.

Aber vorher noch etwas Allgemeines, bevor ich zu meinen persönlichen Erlebnissen komme…
Ich höre bzw. lese immer wieder, dass Autisten oder Behinderte – mit welcher Einschränkung auch immer – oftmals nicht ernst genommen werden oder dann eher nur mit der Begleitung gesprochen wird, obwohl derjenige ja selbst nebendran steht.
Ich weiß nicht woran es liegt, dass eine offensichtliche Behinderung oder so eine Vorurteils- und Klischeebehaftete wie Autismus, von einigen Menschen so behandelt wird, als wäre man einen ‚happen doof‘ und gerade mal so in der Lage zu existieren. Schlimm und auch gefährlich wird es dann, wenn das Menschen sind, von denen man abhängig ist. Also z.B. Ärzte oder in anderen Behörden und Ämtern, wenn es um die Gewährung irgendwelcher anderer Hilfen geht.
Es ist so schon nicht leicht für Autisten sich Hilfe zu suchen. Gibt es doch von Beginn an viele Hürden. Zunächst einmal die korrekte Selbsteinschätzung, ob denn nun das Problem auch schlimm genug ist, um sich Hilfe zu suchen. Ich selbst neige leider dazu, Schmerzen bei mir viel zu lang auszuhalten, weil es mir schwer fällt abzuschätzen, ob das nun tatsächlich so ernst ist, dass ich ins Krankenhaus müsste.
Warum auch immer fällt mir das bei meiner Tochter deutlich leichter, das dann von außen abzuschätzen. Vielleicht ist es aber auch genau jenes Erlebnis das ich weiter unten dann schreibe, was mich fast übervorsichtig bei ihr macht… aber nochmal kurz zurück zum allgemeinen Teil.
Mal eben so irgendwo anrufen, Termin beim Hausarzt oder woanders zu machen, das funktioniert bei Autisten nicht wirklich gut. Wann immer es geht, laufe ich persönlich hin und hole mir so einen Termin. Hinzu kommen dann oft noch volle Wartezimmer, Geräusche, ungewohnte Umgebung – Reize die Autisten belasten. Unter Schmerzen ist die Kompensationsfähigkeit dann noch zusätzlich herabgesetzt (ich denke das kennt jeder, auch Nicht-Autisten) und um so schneller ist man schon im Overload.
Hat man es dann geschafft und ist im Behandlungs- oder Besprechungszimmer kommt die nächste Hürde. Zu beschreiben was man denn für ein Problem hat.

Hier möchte ich dann nun mit den ganz persönlichen und prägenden Erfahrungen fortfahren…
Ich machte bereits in meiner Kindheit und Jugend die Erfahrung, dass ich mit meinen Sorgen, Beschwerden oder Ängsten fast nie ernst genommen wurde. Vielleicht liegt es daran, dass ich trotz großer Schmerzen noch immer ziemlich sachlich beschreibe was los ist. Für einen Arzt mag das dann eben so wirken, als wäre ja alles gar nicht so schlimm. Neurotypische Menschen schmücken ihre Wehklagen sicher mit deutlich mehr Emotion und Füllworten, die zu verstehen geben, dass es für sie so schlimm ist, dass sie Hilfe benötigen.
Als ich mit 19 Jahren Gallenkoliken hatte, wurde ich auch nicht ernst genommen das es wirklich heftige Schmerzen sind. Ich bekam 1 Stunde lang kein Schmerzmittel, obwohl ich sagte, dass ich Schmerzen habe. Bis ich es überhaupt nicht mehr aushielt und weinte. Dann nach weiterer Wartezeit gab es einen Ultraschall – ja, Gallensteine. Aber gehen sie doch bitte wieder nach Hause, kann ja nicht so schlimm sein. Am Abend darauf erneut heftige Koliken. Ich wurde in ein anderes Krankenhaus gefahren, ich kommunizierte, dass ich erst am Vortag woanders gewesen wäre und man mich wieder heim schickte. Hier im Zweiten nochmal Ultraschall und dann OP nur 2 Stunden später.

2012 bin ich dann schwanger geworden. Die ersten Monate waren, was die Schwangerschaft selbst anging, okay… nur mein erster Frauenarzt war nicht gut. Damals stand der Verdacht auf Autismus bei mir schon ziemlich deutlich begründet im Raum. Ich teilte das dem Arzt mit und erhielt direkt die Aussage, dass das gar nicht sein könne, weil ich ja hier sitzen würde und mit ihm rede. Ohne zu schaukeln und zu sabbern.
Ich ging dort nicht mehr hin. Wie sich im Nachhinein auch herausstellte berechnete er sogar den Geburtstermin falsch. Bald hatte ich einen anderen Frauenarzt gefunden, viel Auswahl gab es in dem Ort damals nicht… dem neuen erzählte ich nichts vom Autismusverdacht. Ich hoffte nicht mehr auf Verständnis zu diesem Thema. Ich machte dann bei ihm alle Vorsorgeuntersuchungen. Ich bekam eine Symphysenlockerung diagnostiziert, die sich von Woche zu Woche verschlimmerte. In der 24. SW war es dann so, als hätte ich bei der kleinsten Bewegung Rasierklingen zwischen den Beinen im Becken. Kein Druckschmerz, sondern unglaublich stechend und schneidend. Aber so wirklich ernst nahm mich der Arzt auch nicht. Ich bekam erst auf mehrmaliges Nachfragen dann solch einen Beckengurt, der die Beschwerden lindern sollte, weil er das Becken wieder zusammenpresst… geholfen hat es mir leider nicht. Selbst sitzen war zur Qual geworden.
Ich konnte mich irgendwann nur noch unter größter Anstrengung bewegen. Die Schmerzen wurden fast unerträglich. Also wieder zum Arzt, es stand sowieso eine Untersuchung an, weil einige Blut- und Urinwerte außerhalb der Norm lagen. Eine Vorderwandplazenta hatte ich ebenfalls. Weil der errechnete Geburtstermin nun nicht mehr all zu weit war, fragte ich, was denn die bessere Option sei wegen der Symphysenlockerung.
Natürliche Geburt war mein Wunsch. Aber ich konnte ja jetzt schon kaum noch irgendwas und die Angst vor einer möglichen Symphysenruptur war ebenfalls da. Eine wirkliche Beratung bekam ich nicht von ihm. Lediglich die Antwort, dass ich das halt selbst entscheiden müsse ob natürliche Geburt oder Kaiserschnitt. Ja, danke für gar nichts. Also wieder heim.
Dann nur wenige Tage später bemerkte ich, dass sich meine Tochter im Bauch deutlich weniger bewegte als sonst. Ich wartete noch einen Tag, es besserte sich nicht, dann doch mit ziemlicher Sorge zum Arzt (38 + 0). Ich sprach an, dass ich Angst vor einer mehrmaligen Nabelschnurumwickelung hätte, aufgrund der deutlich weniger spürbar gewordenen Kindsbewegungen. Herztöne abhören – alles ok. Der Arzt tat mich ab, als wäre ich nur eine der überbesorgten Mütter, und teilte mir mit, dass so eine einmalige NSU ja auch ganz normal wäre und ich mir doch mal nicht so viele Gedanken machen solle.
Ich fühlte mich so unglaublich hilflos und selten so wenig ernst genommen.
Ich sprach daraufhin erneut meine Schmerzen an. Es war ein Freitag. Es wurde ein Kaiserschnitt für den kommenden Dienstag, den 29.01.2013 angesetzt. 2 Wochen vor errechnetem Termin.
Das Wochenende war schlimm für mich… noch immer die Unsicherheit, warum das nun auf einmal so schlagartig weniger war an Bewegung… sie war sonst immer sehr aktiv. Ich blieb dabei… ich spürte und ahnte es. Da ist definitiv was mit der Nabelschnur, nur glaubt es mir niemand, nimmt mich nicht ernst und mal per Ultraschall kontrolliert hat es auch keiner.
Ich hoffte einfach nur darauf, dass ich wenigstens ab und an noch ihre Bewegungen spüre… wir beide bis zum Dienstag durchhalten.
Montag ging es schon kurz ins Krankenhaus zur Blutabnahme und Vorgespräch mit dem Anästhesisten. Ihm erzählte ich, dass damals während der Gallenblasenentfernung das Narkosemittel bei mir nicht so gewirkt hatte wie es sollte. Wohl zu niedrig dosiert, weil mein Körper das anders verarbeitet (auch etwas, was ich immer wieder von anderen Autisten gehört habe, dass Medikamente gar nicht, konträr oder irgendwie anders wirken, als erwartet). Danach ging es wieder heim. Ja, ein schönes Hin- und Her mit all den Schmerzen. Aber ich ertrug das alles tapfer.
Dienstag Morgen ging es bei Zeiten ins Krankenhaus. Ich fühlte mich überfordert von all meinen Gefühlen.
Ich sollte mich dann ins vorbereitete Krankenbett legen, bekam einen Blasenkatheter verpasst und dann ging es auch schon bald ab in Richtung OP-Schleuse. Ich wurde rüber gehieft wie so ein bestelltes Essen im Restaurant, das über den Küchentresen geht. Im Vorraum von einer Schwester große Erklärung dass ich mich dann beim setzen der Spinalanästhesie keinesfalls bewegen dürfe, man mich deswegen zu Zweit in einem nach vorn gebeugten Klammergriff festhalten würde. – Ja… hätte man mir ja auch schon mal einen Tag vorher sagen können… aber was hatte ich jetzt für eine Wahl? Keine.
Ich wollte nur noch, dass es endlich vorbei ist. Das Licht war grell, da wuselten jede Menge Leute rum… Reize, die es mir nicht leichter machten. Es gab eine örtliche Betäubung an der unteren Wirbelsäule, schon die Nadeln merkte ich nicht – dann die große Nadel für die Spinale, die ich übrigens kein bisschen gespürt hatte. Erklärte mir man doch vorher, dass ich die trotz örtlicher Betäubung noch merken würde. Tat ich nicht, war mir recht… das Mittel begann zu wirken und ich wurde in den eigentlichen OP-Saal geschoben. Der Operateur war auch mein Frauenarzt. Im Raum standen etwa 10 Leute… Schwestern und noch so ein paar andere, die einfach nur zuguckten, mit einem unterhielt ich mich noch, es wäre erst seine zweite OP, die er begleiten würde.
Dann ging es los, Tücher wurden mir vor’s Gesicht gehangen (ich fand das furchtbar, ich hätte viel lieber gesehen, wie das Kind rausgeholt wird). Es wurde gefragt, ob ich denn gerade dieses oder jenes spüren würde. Ich verneinte. Dann merkte ich ein dumpfes an mir herumruppen. Ich hatte mich im Vorfeld ein wenig mit dem Kaiserschnitt beschäftigt. Guckte mir auch ein OP-Video an. Mir war dann auf dem OP-Tisch liegend klar, dass ist jetzt der Moment nach der ‚Misgav-Ladach-Methode‘.
Dann hörte ich ein „Ohh…!“
Kurze Stille und Hektik vor mir.
Ich wusste, jetzt ist irgendwas.
Einen kleinen Moment später beglückwünschte man mich zu meiner Tochter. Es war 08:31 Uhr. Mein erster Gedanke: „Warum zeigt man sie mir nicht und warum schreit sie nicht?“ Eine Hebamme verschwand sofort mit ihr in einem Nebenzimmer. Dann endlich das für mich sehr erlösende Babyweinen. Diese 2-3 Minuten in denen ich nicht direkt mein Baby sehen konnte, sie kamen mir so endlos lang vor. Dann brachte man sie mir, eingewickelt in ein Handtuch. Man hielt sie an mich heran… ich konnte ihr Gesicht sehen. Es war ziemlich blau. Ich erschrak und begann zu weinen. Man beruhigte mich dann wieder… Baby und Mann verschwanden hoch auf Station. Ich hatte mein Kind nur kurz sehen dürfen.
Ich wurde wieder verschlossen… ein Assistenzarzt begann die blutigen Tücher durchzuzählen und wegzuräumen. Ich sprach ihn an und scherzte, ob er sich auch nicht verzählt habe. Sichtlich erschrocken, dass ich das überhaupt so mitbekam und auch sah, zählte er direkt nochmal durch. Stimmte alles. OP-Besteck sei auch vollständig. Nix vergessen in mir. Dann ging es zum Aufwachraum.

Ein weiterer schlimmer Zeitraum für mich. Hatte man in diesem Krankenhaus noch nichts davon gehört, dass es wichtig ist, dass Mutter und Kind so früh wie möglich beianander sind, um eine Bindung aufzubauen?
Stattdessen lag ich da in einem immerhin etwas abgedunkelten Raum. Mit 2 anderen, die wohl auch aus irgendeiner OP kamen… Ich war so traurig, da allein liegen zu müssen. Die Erinnerung an dieses ‚Ohh‘ und das meine Tochter so blau war. Was war los? Ich lag da komplett verunsichert. Es guckte immer mal eine Schwester nach uns… ich fragte, wann ich endlich zu meiner Tochter könne… ich bekam als Antwort „Wenn ich meine Beine wieder bewegen könne.“
Kein schönes Gefühl… so eine Antwort und du merkst, dass du eben keine Kontrolle über deinen Unterkörper hast.
Ich war nun gedanklich so darauf fokussiert Muskeln anzuspannen, um endlich wieder die Beine bewegen zu können… eine halbe Stunde verging… dann endlich die Füße und langsam auch etwas die Knie anheben. Nun wurde ich endlich nach oben auf Station gebracht. Meine Tochter hatte mittlerweile eine normale Hautfarbe.
Die ersten Stillversuche klappten nicht. Die Stillbeauftragte war auch nicht gerade einfühlsam. So eine vom alten Schlag, dass ich mich doof anstellen würde, ungeduldig war sie… das müsse gehen. Aber es ging nicht wirklich gut. Das Kind saugte so unglücklich an meinen Brustwarzen, dass sie schon bald zu schmerzen begannen. Diese Haltung, jene Haltung, Brust so halten, Kind in diesem Winkel… es klappte einfach nicht. Die Brüste schmerzten, weil ja auch nicht viel Milch abgetrunken wurde… Töchterchen bekam dann nun das Fläschchen und ich versuchte das mit dem Abpumpen. Das ging. Und ich war glücklich, dass sie dann also doch meine Milch bekommen kann.
Der Frauenarzt kam dann auch am Tag darauf zu mir.
Wundkontrolle und dann sagte er es…
„Es ist gut gewesen, dass Sie sich für einen Kaiserschnitt entschieden hatten, es hätte unter einer natürlichen Geburt definitiv Schwierigkeiten gegeben und die Gesundheit des Kindes hätte nicht garantiert werden können.“
Ich sachlich (vermutlich auch geschockt über das was er gerade sagte): „Warum?“
Er: „Es lag eine straffe 3-fache Nabelschnurumwickelung direkt um den Hals vor!“
Ich: „…“
Ich brachte kein Wort mehr heraus. Und dann ging er…
Bämm! Das hat gesessen. Ich war schockiert. Mich überranten meine Gefühle. Ich lag glaube ich eine ganze Weile nur teilnahmslos da… starrte leer vor mich hin. Das Kind in einem Plastik-Bettchen auf Rädern neben mir.
Ich hatte also recht. Meine Wahrnehmung war richtig!
Meine Sorge und Angst begründet!
Man nahm mich einfach nicht ernst!
Ich war wütend. Hilflos. Traurig. Verunsichert.

Ein ‚hätte-wäre-wenn‘ begann in meinem Kopf.
Hätte sie es überhaupt bis zum errechneten Geburtstermin überlebt?
Oder auch nur einen Tag länger?
Wäre Mittwoch schon zu spät gewesen?
Was wäre gewesen, wenn ich mich doch zur natürlichen Geburt entschlossen hätte?
Hätte ich mein Kind ganz verloren?

Ich war traumatisiert.

Die nächsten Tage im Krankenhaus waren auch nicht hilfreich. Diese Stillschwester, die es nicht dabei belassen wollte, dass ich mit dem Abpumpen zufrieden war, nein, ich musste das Kind immer wieder anlegen. Die Folge: wieder wunde Brustwarzen und ein schreiendes Baby, weil es keine Milch bekommt.
Ich war mit allem überfordert. Man unterstützte mich nicht, ich bekam nur zu verstehen, dass ich mich nicht genug anstrengen würde…
So hatte ich mir das alles nicht vorgestellt. Gesellschaft und Medien suggerieren einem ja auch nur das perfekte Bild von Schwangerschaft, Geburt, Stillen und all dem anderen tollen Mutter-Kram.
Nach 4 Tagen gab die Stillbeauftragte dann auf und ich wurde in Ruhe gelassen mit erneuten Still-Versuchen. Ich pumpte regelmäßig ab… ziemlicher Aufwand… und fütterte meine Tochter über die Flasche mit der eigenen Milch. Es war okay für mich. Nach einer Woche durfte ich dann heim.
Das zog ich dann 6 Monate lang durch. In der Zeit schlief ich nicht viel. Immer nur Stundenweise. Hatte ich doch diese Doppelbelastung aus Abpumpen und füttern.
Was noch hinzu kam…
Exakt 8 Wochen nach der Geburt bekam ich in einer auf Asperger-Autismus spezialisierten Abteilung einer Uniklinik die Diagnose gestellt. Meine Tochter hatte ich mit dabei.
Bald darauf stürzte ich in eine heftige Depression und auch Zwangsgedanken entwickelten sich. Vermutlich ausgelöst durch die Hormonumstellung nach der Geburt. Auch hier wieder… wirkliche Unterstützung/Hilfestellung bekam ich nicht vom Frauenarzt und um das alles allein in die Wege zu leiten, vergeblich zu telefonieren, nur um auf mehrmonatigen Wartelisten zu landen… nach 2 Versuchen hatte ich keine Kraft mehr dafür.
Ich kämpfte mich allein da durch.
Die Diagnose Autismus… das traumatische Geburtserlebnis… eine sich wirklich unmöglich benehmende Schwiegermutter, die sich zu der Zeit auch noch selbst einlud… ich hatte keine Ruhe auch nur annähernd etwas zu verarbeiten.
Ich wurde depressiv. Aber ich bekam das allein hin… ich überstand die Zeit der Zwangsgedanken (gut für eine schöne Mutter-Kind-Bindung war das damals nicht)… und irgendwann nach einem halben Jahr ging es mir etwas besser. Ich begann mich mit dem Thema Autismus deutlich mehr auseinanderzusetzen.

Nun sind 5 Jahre vergangen. Das Leben verlief bis hierher auch eher in Strudeln. Mal mehr, mal weniger. Doch jetzt habe ich die Kraft gefunden das alles endlich mal mittels professioneller Hilfe aufzuarbeiten.

Ich freue mich das du bei mir bist.
Und morgen dann… Happy Birthday meine Kleine.

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