Paris – II

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(Noch einmal zur Erinnerung: kursiv = Gedankengänge; ich habe viel im Tagebuch festgehalten)

Da gingen wir also nun unserer Wege. Das erste Mal am Gare de l’Est – erinnert mich stark an den Frankfurter Hauptbahnhof. Na dann mal ab durch die Mitte.
Die Menschen aus dem Zug strömten in alle Richtungen. Ich ging nur geradeaus. Schon fast symbolisch. Vorwärts. Schritt für Schritt. Gespannt was mich erwartet.
Bahnhofsvorplatz. Die Sonne blendet. Ich atme tief durch. Genieße den Augenblick. Schiebe die Sonnenbrille vom Kopf zur Nase hinunter. Hier bin ich.
Paris. Mon amour.
Da bin ich hier und nun? Unterkunft… falls das heute nicht klappt, ich hab schon anderes durch. Eine Nacht schlag ich mir notfalls auch so um die Ohren, wäre nicht das erste Mal. Also los jetzt!
Weiter geradeaus über die Kreuzung. Das erste Café. Noch eines. Dann ein Hotel. Auf den Aushang gucken. Nein. Nicht wirklich mein Budget mit 240,-€ die Nacht. Weiter. Eine schöne Kirche. Église Saint-Laurent. Ich bleibe stehen. Wunderschöner Gotik-Stil. In Ruhe ansehen. Und weiter. Das nächste Hotel. Ok. Sieht schon von außen verdammt teuer aus. Ich wage trotzdem einen Blick. Nein. Da bleibe ich einen Moment stehen. Als wenn die Information jetzt erst ankommt. Ich gehe nochmal wenige Schritte zurück und blicke in die kleine unscheinbare Seitengasse. Ein Schild: Hotel Sibour.
Unscheinbar, aber direkt neben der Kirche. Ziemlich mittig der kleinen Gasse der Eingang. Wirkt ja eigentlich nicht gerade toll. Erstmal eine rauchen. Ich schaue auf den Aushang und glaube meinen Augen kaum. 80 – 90,-€ das DZ mit Dusche und TV. 40,- hingegen das Einzelzimmer ohne alles. Klo/Dusche auf dem Gang. Wie im Ferienlager damals. Why not. Hostel wäre auch nicht besser, dafür zusätzlich mit Großraumzimmer. Ich wollte es so. Wird schon nicht so siffig sein. Ich nehme meinen Mut zusammen und gehe hinein. „Bonjour“ und gebrochenes französisch meinerseits. Der freundlich wirkende Herr an der Rezeption schwenkt um auf english. Ich erkläre ihm, dass ich das Einzelzimmer ohne alles möchte. Etwas ungläubig schaut mich der Herr an. Ich frage noch einmal nach der Zimmerausstattung. Bin hin- und her gerissen. Ich nehme es. Will ich das wirklich? Budget gibt auch knapp das Doppelzimmer her, dann spare ich eben woanders. Nach etwas erklären und fragen nehme ich dann doch das Doppelzimmer. Ein wenig verhandeln. Ha! 70,- bietet mir der Herr an. Das ist ungefähr das, was ich auch bei AirBnB gezahlt hätte. Ich buche 2 Nächte, die Dritte Nacht… mal schauen, wo ich bin. Ich bekomme Zimmerschlüssel und Fernbedienung überreicht. Fernbedienung? Ok. Geht gut los. Ich muss ein wenig grinsen und gehe links und dann wieder rechts zum Aufzug. Klein. Passt mit dem Rucksack auf dem Rücken gerade so. So langsam wie der Aufzug fährt und Geräusche von sich gibt, bin ich erleichtert, als die Tür wieder auf geht. Heil im 3. Stockwerk angekommen.
Ich gehe nach rechts. Komme am Treppenhaus vorbei. Überall dunkler Teppich. Passend zum dunklen Gang. Mir schießen Bilder von schlechten Horrorfilmen in halbdunklen Hotels ins Bewusstsein. Da ist es. Mein Zimmer auf der linken Seite. Ich schließe auf. Erwarte schlimmes.
Und bin erschrocken. Das hab ich nicht erwartet. Großes Doppelbett, Blümchentapete, ein toller alter Kleiderschrank. Hell.
Fenster auf. Ausblick. Fantastisch. Ein toller Blick auf die Kirche. Ich setze meinen schweren Rucksack und die Tasche mit meiner Kamera ab. Probeliegen. Bequem. Freude. Ein paar kleine Tränen laufen mir über die Wange. Geschafft. All die Angst. Unbegründet. Alles wird gut. Nun ein Blick ins Bad. Oha. Eng.
Trocken-Probesitzen. Wenn ich die Tür nicht zumache ist es gar nicht so wild. Platzangst hab ich eigentlich keine, aber Tür zu, ist mir dann doch zu eng. Zimmer hab ich eh für mich allein – so what. Linken Fuß ins Zimmer ausstrecken. Meine rechte Schulter leicht unters Waschbecken schieben, Kinn mit Würde darüber. Geht schon. Zum Glück bin ich nicht mehr ganz so dick wie früher. Ich muss laut lachen. Bilder in meinem Kopf, wie ich eingeklemmt im Bad hänge und um Hilfe zappele. Ja. Alles machbar hier. Bin zufrieden. Ich schaue mich in dem Mini-Bad von meinem ‚Thron‘ aus um. Riecht etwas nach Chlor. Ok. Es ist alles sauber. Duschtür aufgeschoben. Ist aber auch nicht sehr groß der Spalt, durchquetschen. Wird schon passen heute Abend. Mein Blick wandert weiter. Kein Schimmel. Keine Flecken, kein Ungeziefer, keine Spinnweben. Ein heller freundlicher Gelbton an der Wand. 1 Rolle Klopapier. 2 Handtücher. 1 eingepacktes Glas unter dem Spiegel auf der Ablage.
Nun weiter. Tasche etwas erleichtern. Kamera checken. Endlich etwas essen. Bifi-Roll – trocken, aber hilft für’s Erste. Nun runter zur Rezeption. Dort bekomme ich einen kostenlosen Stadtplan und noch den Hinweis, wann die Tür geschlossen ist und ich dann klingeln muss, um wieder hinein zu kommen. Alles klaro. Voller Elan raus aus der Tür und ab nach rechts, wieder zur Hauptstraße, als ich mich vorhin entschied, zurück zu gehen.
Ich laufe die Straße entlang. Sauge alle Eindrücke auf. Wissend, dass ich an der Seine wieder raus kommen werde. Schick hier. Ich überquere die nächste Kreuzung und laufe weiter. Und weiter…
Irgendwas ist anders. Vor lauter Eindrücken so ausgereizt in der Verarbeitung… Wo bin ich hier? Hier bin ich doch falsch. Alles anders. Anders als erwartet. Wo sind die Leute von vorhin hin, die auch in diese Richtung liefen? Die anderen Touristen? Hallo? Ich bleibe stehen und sehe mich in Ruhe um.
Tatsächlich bin ich mit überqueren der letzten Straße im Afrikaner-Viertel gelandet. Keinerlei Weiße mehr zu sehen. Ich gebe zu, dass ich etwas erschrocken war. Ich hatte damit nicht gerechnet. Ich gehe weiter. Viele junge Männer die in Gruppen vor den Geschäften stehen. Viele Friseur-Salons. Hübsche Frauen kommen und gehen. Die jungen Männer öffnen die Türen. Hat etwas Türsteher-Charakter. Prollig. Goldketten. Muskulös, Sonnenbrille. Handy. Vor fast jedem Geschäft. Eine andere Welt. Boulevard de Strasbourg.
Ich bemerke, dass ich ziemlich angestarrt werde. Scheinen nicht viele weiße junge Frauen sonst allein hier entlang zu laufen. Je weiter ich gehe, desto mehr Männer-Grüppchen stehen auf dem Weg und beobachten mich schon von weitem. Ich lasse mich nicht beirren und laufe weiter. So unvorhergesehen; ich kann die Architektur um mich herum gerade nicht genießen. Unerwarteter Kulturschock. Vielleicht trifft es das.
Ich habe Hunger. An der nächsten Kreuzung biege ich rechts ab. Dann wieder links. Viele kleine Geschäfte. (Rue Saint-Denis)
Immer weiter Richtung Süden. Links der Tour Saint-Jaques. Da ist sie. Die Seine.
Ich entschließe mich dazu, am Quai bis zur Pont des Arts zu schlendern. Vorbei an diversen Malern und der Pont Neuf. An der Pont Neuf helfe ich noch einem Pärchen ein schönes Foto von sich zu bekommen, genieße den Blick und laufe weiter. Rechts der Louvre. Links die Weltberühmten Schlösser. Leider nicht mehr an der Brücke selbst, da diese unter dem Gewicht gelitten hatte und vor kurzem demontiert wurden. Am Quai ließ man aber noch einige wenige Geländer stehen und war somit für viele Pärchen Anziehungspunkt Nr. 1.
Ich machte noch ein paar Fotos, vorbei an einer Polizeistreife auf Inline-Skates, die gerade jemanden überprüften. Ich gehe bis zur Mitte der Brücke und entscheide mich dann doch spontan in Richtung Louvre zu gehen. Ich gehe in Richtung Garten, setze mich auf einen der vielen Sonnenstühle am Brunnen, und genieße den Moment. Ich beobachte Möwen, Touristen, Einheimische, offensichtliche Models, Künstler, Fotografen, Tierliebhaber – alles dabei. Ein wundervoller Ort zum entspannen. Das Wasser plätschert. Ein leichter Wind und die Sonne, die die Wolken hin und wieder etwas dramatisch wirken lässt.
Eine gute Stunde verbrachte ich hier, bis ich mich wieder auf den Weg machte. Ticket besorgen.
Ab in Richtung Pyramide. Ein kurzes Louvre-Selfie von und mit mir (wenn ich schon hier bin ;-) ) und übereifrige Damen dabei beobachten, wie sie gute 10 Minuten lang versuchen, die perfekte Selfie-Pose zu finden. Vor der Pyramide selbst an einem Absperrgitter sitzen 4 Kunststudentinnen, die den Louvre sehr gut zu Papier gebracht haben. Tolle Zeichnungen.
Weiter. Eingang suchen. Carrousel du Louvre. Irgendwo hier muss doch der Eingang sein. Jetzt laufe ich schon im Kreis. Toll. Ich bin genervt. Ich entschließe mich dazu, die Suche abzubrechen und auf Risiko zu gehen. Ticket dann eben morgen früh mit Anstehen an der Pyramide. Das kann ja heiter werden.
Ich gehe wieder durch die Tuileries Garden. Der Blumenduft ist sehr eindringlich. Riecht gut. Meine Laune hebt sich wieder. Vorbei an Statuen. Hier und da noch ein Foto und weiter zum Place de la Concorde. Der Obelisk mit der Goldenen Spitze. Eindrucksvoll. Vor über 10 Jahren, als ich das letzte Mal an dieser Stelle stand, hat mich das alles nicht so sehr beeindruckt, obgleich damals der Grundstein für meine Liebe zu Paris gelegt wurde. Ich drehe eine Runde um den Obelisken und gehe dann zum südlichen Springbrunnen, um ein paar Aufnahmen zu machen. Gerade angekommen sehe ich einen Mann. Was zum Kuckuck macht der da? Rucksack liegt am Rand, er im Wasser watend. Was sucht er? Na hauptsache er wäscht sich nicht noch. Der Mann dreht seine Runden im Brunnen, ich versuche einen halbwegs ordentlichen Blickwinkel mit der Kamera festzuhalten. Just in diesem Moment bemerke ich die Überwachungskameras und dass das Wasser weniger wird. Schnell noch ein paar Fotos, jetzt spritzt es nicht so. Der Mann dreht weiter seine Runden und ich höre Sirenen, die immer näher kommen. Ich muss grinsen… Ich habe es gewusst. Warum eigentlich immer ich? Ich überlege noch kurz mich zu entfernen, aber denke mir nur, dass das dann womöglich erst recht verdächtig wirkt. 3 Polizeiwagen halten, einer an jeder Seite um uns herum. 5 Beamte steigen aus. Hand an der Waffe. Walkie-Talkie-Sprachfetzen. 2 sitzen noch im Auto. Ich werde gebeten mich auszuweisen, obwohl ich signalisierte nicht zu dem Herrn zu gehören. Ich zeigte meine letzten Aufnahmen, während meine Personalien von einem Polizisten im Auto via Funk überprüft wurden. Fehlt jetzt noch, dass ich womöglich noch mit auf’s Revier soll, um eine Aussage zu machen. Aber alles gut. Sie glaubten mir, ich bekam meinen Ausweis wieder, wurde höflich verabschiedet und durfte gehen. Bei dem Herren aus dem Brunnen dauerte es länger. Ich glaube sie haben ihn mitgenommen. Bin mir aber nicht sicher, so genau habe ich nicht mehr drauf geachtet. Zu viel in diesem Moment. Ich gehe über die Straße zum Park. Setze mich auf eine Bank und zünde mir auf den Schrecken eine Zigarette an.

weiter mit Teil III

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Louvre. Selfie.
Louvre – Selfie
morgendlicher Blick aus meinem Hotelfenster
morgendlicher Blick aus meinem Hotelfenster

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Ein Kommentar zu „Paris – II

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